Aktuell: Erneute Forderung nach Abschaffung der Geheimdienste

Im aktuellen Wahlprogramm fordert Die Linke unter anderem die Abschaffung der deutschen Geheimdienste. Begründet wird die Forderung mit der Intransparenz der Nachrichtendienste, die zulasten der polizeilichen Ermittlungsarbeit und der juristischen Aufklärung gehe.

Dafür soll Gegenzug die Polizei der Länder gestärkt werden, um die Sicherheit zu gewährleisten. Die Grünen verhalten sich etwas moderater: Nach ihnen muss eine grundlegende Reform der deutschen Geheimdienste erfolgen. Das Ziel sei, die inländische Geheimdienstarbeit auf einen einzelnen Nachrichtendienst zu zentrieren.

Bekannte Forderungen in neuem Gewand

Neu sind die Forderungen nicht. Immer wieder kam es angesichts von Enthüllungen über Geheimdienstarbeit zu ähnlichen Tendenzen. 2012 forderten Die Linke und die Grünen gemeinsam die Auflösung von Verfassungsschutz und Militärischem Abschirmdienst (MAD). Anlass war die verschwundene Akte des NSU-Terroristen Uwe Mundlos, zu dem der MAD in den 1990er-Jahren Kontakt aufgebaut hatte. Das undurchsichtige Verhalten der Geheimdienste während der NSU-Affäre sei mit einem demokratisch gesteuerten Geheimdienst nicht vereinbar.

Spätestens seit den Enthüllungen von Edward Snowden im Jahr 2013 über die globale Überwachung sind immer mehr Organisationen besorgt, wie demokratisch Geheimdienste tatsächlich agieren. Organisationen, die sich dem Recht des Datenschutzes verschrieben haben, fordern seitdem ebenfalls die Abschaffung der Geheimdienste. Einer der prominentesten Vertreter ist der Chaos Computer Club, der 2013 zusätzlich auf eine Anklage wegen Landesverrat drängte, da die Nachrichtendienste bei ihrer Arbeit massiv Grundrechte der Bürger verletzt hätten.

Unstimmungkeiten bei Lösung

Die aktuelle Forderung nach einer Reform beziehungsweise Neugestaltung der deutschen Geheimdienstlandschaft erscheint also nicht überraschend. In den vergangenen Monaten war es weltweit zu verschiedensten Aktionen von Geheimdiensten gekommen, welche die öffentliche Diskussion immer wieder anheizten. Dazu gehörtzen unter anderem die Einmischung in Wahlkämpfe oder großangelegte Spionageaktionen in der weltweiten Internetkommunikation.

Allerdings sind sich Experten uneinig, wie eine konkrete Lösung aussehen könnte. Denn bei allem Bedürfnis nach Umsetzung der bürgerlichen Grundrechte auf Datenschutz muss gleichzeitig auch die Sicherheit ebenjener Bürger sichergestellt sein. Die verschiedenen Modellvorschläge zur Neugestaltung der deutschen Geheimdienste reichen von Reformvorschlagen zur Stärkung der parlamentarischen Kontrolle über den Transfer von Aufgabenbereichen bis hin zur ersatzlosen Streichung.

Gegenposition zur Geheimdienst-Auflösung

Gegner einer radikalen Auflösung postulieren, es sei nicht möglich, der Polizei geheimdienstliche Aufgaben zukommen zu lassen. In Deutschland geb es – gewachsen aus der historischen Erfahrung – ein Trennungsgebot beider Aufgabenbereiche. Durch Reformen sollen dagegen gesetzliche Regelungen und parlamentarischen Kontrolle der bestehenden Geheimdienste gestärkt werden.

Einige Experten sind allerdings der Meinung, dass eben jenes Trennungsgebot ohnehin bereits durch geheimdienstliche Arbeit zum Beispiel von Bundeskriminalamt (BKA) und dem Nationalen Cyberabwehrzentrum (NCAZ) verwässert werde. Laut ihrem Dafürhalten ist eine Übernahme geheimdienstlicher Tätigkeit durch polizeiliche Stellen durchaus machbar. Als Vorteil wird angeführt, dass die Polizei an das Polizei- und Strafprozessrecht gebunden sei. Eine Kontrolle der Aktivitäten sei daher weit besser sichergestellt als bei den laut Kritikern „demokratisch unkontrollierbaren“ Geheimdiensten.

Gegner dieser Position stellen allerdings heraus, dass die Kontrolle der Polizei bei einer solchen Lösung deutlich intensiviert werden müsse. Die erwähnte Unkontrollierbarkeit der Geheimdienste ist eines der führenden Argumente für die komplette und ersatzlose Abschaffung. Das Problem einer Sicherheitslücke wird verneint, die Auseinandersetzung mit radikalen Strömungen habe mit politischen, demokratischen Mitteln zu erfolgen. Hier steht also der Freiheitsgedanke als Grundprinzip demokratischer Ordnung an erster Stelle.

Die dargestellten Positionen vermitteln nur einen rudimentären Überblick über die Vielzahl an vorgeschlagenen und diskutierten Möglichkeiten. Um das Vertrauen der Bürger zur Politik und den Geheimdiensten nicht weiter zu belasten, scheinen generell Reformen unabdingbar.

Eine Umsetzung des von Die Linke geforderten radikalen Schritts ist nach Einschätzung vieler Experten eher unwahrscheinlich. Kritiker befürchten, dass man versuchen wird, durch relativ wirkungslose Neustrukturierung das Thema zu „vertagen“, ohne grundlegende Probleme zu beseitigen. Das Deutsche Spionagemuseum wird die weiteren Entwicklungen verfolgen und berichten.


Bilder
Zentrale Bundesnachrichtendienst: euroluftbild.de/Grahn / CC BY-SA 3.0
Demonstration Datenschutz: Marcus Sümnick / CC BY-SA 2.0
Bundesamt für Verfassungsschutz: Stefan Kühn / CC BY-SA 3.0

Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 12.06.2017