Heutzutage wird die „Handarbeit“ einzelner Agenten, die früher so wichtig zum Erlangen geheimer Informationen war, größtenteils automatisiert von Softwareprogrammen ausgeführt. Das macht vieles einfacher und ermöglicht Spionageaktionen und Datensammlungen in einem Ausmaß, das früher undenkbar gewesen wäre.
Vor der digitalen Revolution allerdings waren es noch der persönliche Ehrgeiz, die Hartnäckigkeit und die individuellen Fähigkeiten einzelner Personen, die oft den Unterschied ausmachten, wenn es darum ging, möglichst früh an Informationen zu gelangen. Eine in dieser Hinsicht herausragende Persönlichkeit ist gestern in Tel Aviv im Alter von 73 Jahren verstorben: der israelische Journalist Michael „Miki“ Gurdus.
Gurdus arbeitete nicht etwa für einen technisch hochgerüsteten Geheimdienst, sondern als Journalist. Sein Drang nach den neusten Informationen ließen ihn zu einem der besten Abhörspezialisten seiner Zeit werden. Da Gurdus durch eine Lähmung im Rollstuhl saß, spezialisierte er sich auf die Informationsbeschaffung von zu Hause aus. Sein Büro in Tel Aviv war vollgestopft mit Funktechnik. Auf dem Dach seines Hauses türmten sich die Antennen. Von hier aus hörte er sämtliche Funkfrequenzen ab und erlangte auf diesem Wege Neuigkeiten über weltweite Entwicklungen – oftmals früher als alle anderen.
Gurdus war nicht nur abhörtechnisch umfassend geschult, er sprach zudem sieben Sprachen. Zudem hatte er sich in den vielen Jahren seiner Tätigkeit eine umfangreiche Sammlung an teils geheimen Funkfrequenzen angelegt. Angeblich gehörte dazu auch jene der Air Force One. Gurdus außergewöhnliche Fähigkeiten blieben nicht lange unentdeckt. Er war eine standardmäßige Anlaufstelle für Kamerateams und andere Journalisten.
Zu den herausragenden Meldungen, die Gurdus veröffentlichte, gehörten zum Beispiel die Ereignisse um die Entführung von TWA-Flug 847 durch Terroristen im Jahr 1985 oder die irakische Invasion Kuwaits 1990. Auch die Erstürmung des entführten Flugzeugs „Landshut“ im Jahr 1977 konnte Gurdus im israelischen Rundfunk melden, bevor der deutsche Bundeskanzler davon erfuhr. Schon vorher hatte er berichtet, dass sich die GSG 9-Einheit auf dem Weg nach Mogadischu befand.
Anschließend gab es Vorwürfe, er hätte dadurch die Aktion gefährdet. Gurdus hatte das immer bestritten, andere hätten die Meldung bereits lanciert. Immer wieder erwähnte er in Interviews, dass er generell noch weitaus mehr Informationen mit der Welt hätte teilen können. Doch wann immer die Gefahr bestand, dadurch Menschenleben aufs Spiel zu setzen, behielt er Details für sich.
Als Israel informationstechnisch noch nicht den Standard westlicher Länder errichte hatte, war Michael Gurdus oftmals das Ohr des Landes. Sein Einfluss auf die Nachrichtenwelt wird auch dadurch deutlich, dass der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu ihn posthum würdigte als „Menschen, der uns vor der Internet-Ära viele Jahre lang mit weiten Teilen der Welt verbunden hat“.
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 29.11.2017