Selbst inmitten der großen Menschenmenge des bis auf den letzten Platz gefüllten Veranstaltungsraums im Deutschen Spionagemuseum sticht Jack Barsky hervor. Auffälligkeit gehört eigentlich nicht gerade zu den Tugenden von Geheimagenten. Und dennoch ist es diesem Mann mit einer Größe von 1,90 Meter gelungen, als KGB-Agent ab den 1970er-Jahren undercover in den USA zu leben. Erst 1997 wurde er enttarnt – vielleicht als letzter KGB-Agent des Kalten Krieges in den USA.
Angesichts dieses außergewöhnlichen Lebensweges ist der Besucherandrang kein Wunder, als Jack Barsky am 13. März 2018 seine Biografie „Der falsche Amerikaner. Ein Leben als deutscher KGB-Spion in den USA“ vorstellte. Einen besseren Ort als das Deutsche Spionagemuseum kann es für solch ein Ereignis nicht geben.
Souverän führte der Journalist Claas Meyer-Hoyer als Moderator durch die Veranstaltung. Meyer-Hoyer hatte bereits vor einigen Jahren eine Reportage über Jack Barsky gedreht, kannte sich also mit der Materie bestens aus.
Zusammen ergründeten die beiden Protagonisten, wie aus dem DDR-Bürger und überzeugten Kommunisten Albrecht Dittrich zuerst der KGB-Agent Jack Barsky wurde. 1978 schleuste der KGB ihn als „Illegalen“ in die USA. Es folgte ein gewagtes Doppelleben, an dessen Ende die Abkehr Barsky vom Agentenleben und seine Hinwendung zu Familie und Christentum stand.
Detailliert schilderte Jack Barsky – diesen Namen hat der heutige US-Staatsbürger beibehalten – dass die Realität mit den gängigen Agentenklischees wenig zu tun hat. Anstelle von wilden Frauengeschichten, Schießereien und Verfolgungsjagden stehen eher akribische Vorbereitung (Barskys Ausbildung durch den KGB umfasste fünf Jahre), ein unauffälliger Lebensstil und vor allem Warten.
Im Kalten Krieg dauerte es zuweilen lange, bis Geheimnachrichten übermittelt und Informationen ausgetauscht wurden. Natürlich gab es auch immer wieder Situationen mit Nervenkitzel. Gerade die außergewöhnliche Position, als DDR-Bürger in die USA geschickt zu werden, hätte für ihn damals einen großen Reiz dargestellt. Ein bisschen stimmt das Klischee vom Draufgänger-Agenten also doch.
Barsky würde sich im Nachhinein jedenfalls genauso entscheiden wie damals – auch wenn er zugab, durch die strikte Geheimhaltung einige Personen aus seinem Umfeld verletzt zu haben. Seine Mutter wartete bis zu ihrem Tod vergeblich auf ein Lebenszeichen ihres Sohnes.
Die zahlreichen Nachfragen des Publikums konnte Jack Barsky auf dem Podium nicht alle beantworten. Auch nach Ende des offiziellen Programms stand er noch lange interessierten Besuchern zur Verfügung. Die Möglichkeit, mit dem sympathischen KGB-Agenten ein paar Worte zu wechseln oder die Biografie signieren zu lassen, wollte sich keiner nehmen lassen.
Die nächste Veranstaltung im Deutschen Spionagemuseum schlägt eine Brücke von der Geheimdienstwelt des Kalten Krieges in der Gegenwart: Walter Katzung führt am 20. März 2018 als Experte in die Geheimwaffe Gift ein. Das Thema ist hochaktuell, nicht zuletzt wegen dem Attentat auf den russischen Ex-Spion Skripal in England. Der Eintritt ist wie immer frei.
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 16.03.2018