Die Stasi war die politische Geheimpolizei in der DDR. Soweit bekannt. Aber was machte die Stasi eigentlich im westlichen wie östlichen Ausland, mit Partnerdiensten oder gegen den Feind im Westen? Von Albanien bis Zypern, von Bonn bis Washington war das MfS aktiv.
Erstmalig fasst ein Sammelband den Stand der Forschung über die Auslandsarbeit der Stasi zusammen. Und das Deutsche Spionagemuseum ist direkt am Puls der Forschung. Insgesamt drei Bände sind von den Herausgebern geplant, von A wie Albanien bis Z wie Zypern. Auf Rund 300 Seiten handeln die Herausgeber und Gastautoren die Länder alphabetisch ab, im ersten Band bis G wie Großbritannien.
Zur Buchpremiere diskutierten die beiden Herausgeber, Dr. Helmut Müller-Enbergs und Prof. Thomas Wegener Friis von der Süddänischen Universität in Odense im Deutschen Spionagemuseum. Begleitet wurden sie dabei kurioserweise von Oberstleutnant Lothar Ziemer. Es handelt sich um einen ehemaligen Offizier in der USA-Abteilung von Markus Wolfs Auslandsspionage HV A.
Ausführlich legten die Herausgeber die archivalischen und wissenschaftlichen Grundlagen dar, auf denen gesicherte Erkenntnisse zur DDR-Spionage möglich sind. Und wie sie sich über die Jahre verändert haben, um heute solche Forschungen möglich zu machen.
Anders als in den meisten Betrachtungen der DDR-Auslandsspionage HV A spielt das Operationsgebiet Bundesrepublik hier zunächst keine Rolle. Der „Hauptfeind“ USA und NATO hingegen rückten auch bei der Diskussion in den Fokus. Wie erst die neuen Forschungen zeigen, schaffte es Wolfs Truppe am Ende tatsächlich noch, eine Quelle im US-Pentagon zu rekrutieren. Dieser wurde erst Ende der 1990er-Jahre enttarnt.
Nichtsdestoweniger erreichte die HV A ihre hochgesteckten Ziele der Informationsgewinnung in den USA nie. Dies bestätigte auch der selbst beteiligte Lothar Ziemer. Anders sah es da nur bei der Gegenspionage gegen die US-Dienste in Deutschland aus, so zum Beispiel im berühmten Berliner Teufelsberg.
Ganz ähnlich stellte sich die Bilanz der gefürchteten und mystifizierten DDR-Aufklärung auch in anderen Ländern dar. Thomas Wegener-Friis wusste etwa zu berichten, dass die HV A auch über 20 Jahre nach dem Beginn ihrer Arbeit in Dänemark immer noch keinen Mitarbeiter mit fließenden Dänisch-Kenntnissen in ihren Reihen hatte.
Eine Frage zieht sich als roter Faden durch jede Betrachtung der Einzelfälle. Mit welchen Quellen konnten die jeweiligen Einheiten der DDR-Spionage in Anbetracht ihrer eher niedrigen kulturellen und fremdsprachlichen Kompetenzen überhaupt arbeiten? Vor allem Helmut Müller-Enbergs, der hierzu bereits zahlreiche andere Forschungen vorgelegt hat, griff diese Frage immer wieder auf.
Am Ende zeigte sich: in der Bundesrepublik, wo auf eine gemeinsame Sprache und Kultur zurückgegriffen werden konnte, erzielte die HV A erstaunliche Erfolge bei der Informationsgewinnung. Außerhalb Deutschlands jedoch war dies ganz anders.
Mit Spannung darf auf die Erforschung der DDR-Spionage in anderen Ländern gewartet werden. Was machte die HV A in Italien? Was interessierte sie überhaupt in Südamerika oder Afrika?
Wenn die Herausgeber ihr Versprechen der drei Bände einlösen können, haben sie einen Meilenstein und neues Standardwerk der MfS-Forschung geschaffen. Das Deutsche Spionagemuseum wartet mit großer Freude auf den nächsten Band.
Die nächste Veranstaltung im Deutschen Spionagemuseum widmet sich am 21. Juni 2018 unter dem Titel “Operationsgebiet Berlin” dem Verfassungsschutz. Es diskutieren Renate Künast und Torsten Akmann. Moderiert wird der Abend von Alfred Eichhorn.
Autor: Christoph Ewering
Veröffentlicht am: 25.05.2018