Großbritanniens neue Top-Agenten – Geheimdiensttraining als Reality-Castingshow

Ein neues Format des Streaming-Anbieters Netflix vereint gleich vier derzeit sehr populäre Sendekonzepte: das Darstellen vergangener Epochen im Rahmen einer Reality-Show, eingespielt werden dokumentarische Filmausschnitte und Fotos, dazu gibt es die Aus- und Abwahl der teilnehmenden Protagonisten im Stile einer Castingshow. Das alles wurde angesiedelt im Geheimdienst- und Agentengenre.

In der Serie „Churchill’s Secret Agents: The New Recruits“ durchlaufen Menschen aus den unterschiedlichsten Lebensbereichen ein originales Agententraining, wie es im Zweiten Weltkrieg von der britischen Geheimdienst-Spezialeinheit SOE durchgeführt wurde.

Legendäre Spezialeinheit SOE

Die SOE (Special Operations Executive = Sondereinsatztruppe) wurde 1940 gegründet. Zu dieser Zeit war die Lage für das Vereinigte Königreich im Krieg äußerst kritisch. Jedes Mittel war recht, um die Achsenmächte zu schwächen.

Die Aufgaben für die SOE lagen vor allem im Bereich der subversiven Kriegsführung. Dabei ging es nicht um regulär kämpfende Einheiten, sondern um die Anwendung von Guerilla-Taktik: Einzelagenten oder kleine Trupps agierten undercover in den Gebieten des Feindes. Sie versuchten, diesen durch gezielte Aktionen zu schwächen.

Dazu gehören zum Beispiel Sprengstoffattentate auf wichtige Infrastrukturen. Weitere Aufgaben umfassen gezielte Tötungen von Führungspersönlichkeiten sowie die Unterstützung und Förderung von lokalen Widerstandsgruppen. Die SOE gilt als einer der effektivsten Spezialeinheiten überhaupt. Ihr Wirken hatte durchaus Relevanz im Zweiten Weltkrieg – wenn auch beileibe nicht alle Aktionen erfolgreich verliefen.

Spionageausbilung im Schnelltempo

Aufgrund des problematischen Kriegszustandes verblieb in der Regel nur wenig Zeit zur Ausbildung der Rekruten. Diese stammte nicht nur in der neuen Serie, sondern auch in der Realität aus allen Bevölkerungsschichten.

Die Macher der Serie betonen, dass originale SOE-Unterlagen und -Vorgaben bei der Umsetzung der nachgespielten Agentenausbildung genutzt wurden. So lernen die neuen Rekruten, wie man mit Feuerwaffen umgeht, Sprengstoff in Hundehaufen und Ratten versteckt, Agentenfunkgeräte bedient, Schlösser knackt, Gegner im Nahkampf ausschaltet, neue Identitäten annimmt oder Verhöre übersteht.

Einige Trainingseinheiten erscheinen durchaus realistisch und bringen die Teilnehmer sichtbar an ihre physischen und psychischen Grenzen. Leider wirkt die historische Darstellung des Umfelds etwas bemüht.

Das ist zum Teil befremdlich. In einer Szene etwa erfahren die neuen Agenten in nachgeschneiderten Uniformen mit Tränen in den Augen die „neusten Kriegsnachrichten“ über ein altes Radio oder nachgedruckte Zeitungen. Zum Glück setzt die Serie nicht auf soziales Konfliktpotenzial unter den Teilnehmern als Unterhaltungswert. Die eingestreuten dokumentarischen Berichte über die echten SOE-Agenten vermitteln tatsächlich Geschichtsbewusstsein.

Unterhaltungswert und eine Prise Bildungsniveau

Als Ausbilder agieren Personen mit Militärerfahrung, welche die Rekruten mit einer Mischung aus militärischem Drill und psychologischem Feingefühl bei dieser besonderen Lebenserfahrung begleiten.

Damit sich für den heutigen Fernsehzuschauer aber doch bekannte Spannungsbögen wiederfinden, beraten die Ausbilder nach jedem Abschnitt im Sinn einer Topmodel-Jury. Sie entscheiden, welche Agenten bleiben dürfen und welche das Training verlassen müssen. Trotz ein paar befremdlichen Momenten besitzt die Serie durchaus Unterhaltungswert und sogar eine Prise Bildungsniveau. Wer am Ende das Zeug zum SOE-Agenten hat, wird hier jedoch nicht verraten…

Agententraining im Deutschen Spionagemuseum

Falls Sie keine Zeit haben, ein komplettes SOE-Training zu durchlaufen und ihre eigene Fähigkeit zum Agenten zu testen: Im Deutschen Spionagemuseum lässt sich zumindest erahnen, wie hoch das eigene Agentenpotenzial ist.

Sei es beim Morsen, Codieren- und Dekodieren von Nachrichten, Wanzen- und Mikropunktesuchen, Lippenlesen, dem Herausreden aus brenzligen Situationen oder dem Überwinden eines Laserlabyrinths – ein bisschen Agententraining geht auch mitten in Berlin, der Hauptstadt der Spione.


Bilder
Screenshots: Serie “Churchill’s Secret Agents: The New Recruits” (Netflix 2018)
SOE-Emblem: Madelgarius [CC BY-SA 3.0]

Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 19.07.2018