Geheimdienste und Spionage sind ungewöhnliche Themen. Manchmal verlangen diese Themen auch nach einer ungewöhnlichen Art sich mit ihnen zu beschäftigen.
Live erleben konnten das die Besucher der Veranstaltung „Der Meisterfälscher“ am vergangenen Donnerstag im Deutschen Spionagemuseum: Ein Hörtheater über die Staatssicherheit der DDR.
Zusammen mit den Machern und Protagonisten lauschte man dabei nicht nur dem Audio-Feature, sondern stieg auch in die Diskussion mit ein. Eine Premiere für alle im Deutschen Spionagemuseum.
Die Radio-Journalistin und Mitbegründerin des Deutschlandfunk-Hörtheaters Heike Tauch hatte die Idee zu dem außergewöhnlichen Stück: ein Feature über einen hochrangigen Stasi-Offizier. Bei dem Protagonisten handelt es sich um niemand geringeren als den ehemaligen „Meisterfälscher der Staatssicherheit“ Dr. Günter Pelzl.
Mit 18 Jahren wurde Pelzl Inoffizieller Mitarbeiter „IM“ der Stasi. Nach seiner Promotion in Chemie an der Universität Jena wechselte er dann in Vollzeit zur „Firma“. In der Abteilung 35 des Ministeriums für Staatssicherheit verbarg sich hinter dem harmlos-bürokratischen Titel „Analyse und Reproduktion von Dokumenten“ eine Fälscherwerkstatt.
Alles, was die Geheimpolizei brauchte, wurde hier im Original begutachtet und dann selbst hergestellt. Hier stieg Pelzl bis zum stellvertretenden Leiter auf, nichts war vor ihm sicher. Als in den 1980er-Jahren der angeblich fälschungssichere Personalausweis der Bundesrepublik präsentiert wurde, war Pelzl einer der ersten der wusste: auch den kann man fälschen. Und das tat die Stasi dann auch, im Auftrag der West-Spionage zur Ausrüstung von Agenten und Kurieren.
Erwischt wurde keiner damit, als „Kronjuwel“ bezeichnet Pelzl ihn noch heute. Fälschungssicher sei ohnehin ein Etikett, dass der Öffentlichkeit Sand in die Augen streuen und den Anschein von Sicherheit erwecken soll. „Man kann alles fälschen, das ist nur gute Analyse, Chemie und handwerkliche Fertigkeit“, so Pelzl.
Doch über seine Arbeit als Fälscher geht es nur zum Teil in diesem Hörtheater. „Wenn man Pässe fälscht, dann muss man sich auch damit beschäftigen: Wofür? Wer kriegt das? Wer setzt das ein? Das sind ja Dinge, die eine moralische Dimension haben.“
Als einer der wenigen ehemaligen Stasi-Offiziere denkt Pelzl damit laut über Sinn und Unsinn, Recht und Unrecht der DDR und vor allem der Staatssicherheit nach. Welche Rolle spielte er selbst im Unrechtsgefüge?
Diese Fragen beschäftigten auch die Besucher im vollbesetzten Veranstaltungsraum. Die von der SPIEGEL-Redakteurin Susanne Koelbl geleitete Diskussion befasste sich dann auch mehr mit der moralischen Einordnung der DDR und der Stasi als mit den Fälschungen Pelzls.
Ein Rädchen im Getriebe eines Systems, das er heute kritisch sehe, sei er schon gewesen, sagte Pelzl. „Doch persönlich habe ich niemandem geschadet“, fügte er hinzu. Nicht jeder im Raum wollte das als Rechtfertigung durchgehen lassen. Andere Beiträge der Diskussion versuchten einen Bogen zu spannen zu der generellen Frage, wie moralisch Geheimdienstarbeit eigentlich sein könne und wie die Stasi da im Vergleich zu anderen Diensten stehe.
Große Fragen also, die das Hörtheater über den „Meisterfälscher“ der Stasi eröffnete. Diesen Fragen, die mitnichten abschließend beantwortet werden konnten, wird sich auch das Deutsche Spionagemuseum in weiteren Veranstaltungen annehmen.
Die nächste Veranstaltung findet bereits heute, am 2. Oktober 2018, statt: Auf der Festmeile zum Tag der Deutschen Einheit diskutieren Dr. Douglas Selvage, Dr. Christopher Nehring und
Boris Reitschuster unter Moderation von Georg Mascolo zum Thema „Russische Geheimdienste in Deutschland“.
Autor: Christoph Ewering
Veröffentlicht am: 02.10.2018