Ende der 1970er-Jahre vollzog sich ein Wandel in der deutschen Geheimdienstwelt. Am 1. April 1978 wurde ein Gesetz erlassen, dass den BND unter parlamentarische Kontrolle stellte. Ein Jahr später wurde Klaus Kinkel zum Präsidenten des deutschen Auslandsnachrichtendienstes ernannt.
Nach jahrzehntelanger Prägung des BND durch ehemalige Angehörige der Wehrmacht war Kinkel der erste Zivilist, der diese Position einnahm und für eine Neuausrichtung des Dienstes stand.
Der Gegensatz zu seinen beiden Amtsvorgängern könnte kaum größer sein. BND-Gründungspräsident Reinhard Gehlen und sein Nachfolger Gerhard Wessel hatten nicht nur gemeinsam den BND von Beginn an mit aufgebaut. Beide waren in identischer Kombination im Zweiten Weltkrieg für die Wehrmachts-Abteilung „Fremde Heere Ost“ nachrichtendienstlich tätig gewesen.
Viele ihrer Gefolgsleute aus der Wehrmacht fanden anschließend den Weg in den BND. Kinkel als gelernter Jurist ohne moralische Vorbelastung sollte die Abkehr des BND von den alten Kadern auch persönlich verkörpern.
Vor seiner Amtszeit als BND-Präsident hatte Kinkel bereits einige Erfahrung in Bundesinstitutionen hinter sich, etwa beim Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz, im Bundesministerium des Innern und schließlich im Auswärtigen Amt als Leiter des Leitungsstabes. Lange arbeitete er eng mit Außenminister Hans-Dietrich Genscher zusammen, der schließlich auch die treibende Kraft hinter der Berufung Kinkels zum BND-Präsidenten darstellte.
Fast vier Jahre lang, von 1979 bis 1982 stand er dem BND vor. Tatsächlich gelang es ihm, etwas Ruhe in den Dienst zu bringen, schwere Skandale blieben während seiner Amtszeit aus. Große Erfolge konnte der BND in dieser Zeit allerdings auch nicht vorweisen, weder bei der Aufklärung terroristischer Taten noch bei der Aufklärung gegen die DDR. Dabei wird Kinkel von seinen Befürwortern immer noch hoch angerechnet, dass er den BND aus seiner DDR-Fixierung und generell seiner oft ideologisch eindimensionalen antibolschewistischen Ausrichtung befreit habe.
Der BND agierte unter ihm zunehmend internationaler. Diesbezüglich allerdings werfen ihm seine Kritiker vor, moralisch nicht zimperlich gewesen zu sein: Seine Zusammenarbeit mit diktatorischen Regimen oder Verstrickungen in Waffenhandel werten sie als Rückschläge bei einer Neuausrichtung des BND.
Auch bei dem größten Erfolg des BND in Kinkels Amtszeit, dem Überlaufen von MfS-Offizier Werner Stiller und der daraus folgenden Enttarnung von Markus Wolf, der als langjähriger Leiter der DDR-Auslandsaufklärung HV A zuvor nur als „Mann ohne Gesicht“ galt, spalten sich die Meinungen. Einige Fachleute feiern die Aktion als erfolgreichsten Schlag gegen das MfS. Kritiker dagegen merken an, dass Stiller nicht wegen, sondern trotz der teils dilettantischen Arbeit des Dienstes erfolgreich übergelaufen sei.
Kinkels Karriere jedenfalls hat seine Amtszeit als BND-Präsident nicht geschadet. 1982 wechselte er als Staatssekretär ins Bundesjustizministerium. 1991 wurde er Justizminister und ein Jahr später Außenminister. Das Amt hatte er bis 1998 inne. Am 4. März 2019 ist Klaus Kinkel im Alter von 82 Jahren verstorben.
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 05.03.2019