Rückblick: BND vs DDR

DDR, DDR und nochmals DDR, so lautete der Schwerpunkt der Auslandsaufklärung des BND. Diesen Ursprung nahm die Ausrichtung der Spionage des BND-Vorläufers „Organisation Gehlen“ (Org) bereits Ende der 1940er-Jahre als die DDR noch SBZ (Sowjetische Besatzungszone) hieß.

Die Nachkriegszeit und die 1950er-Jahre bis zum Mauerbau waren die Hochzeit der Spionageaktivitäten in der SBZ und DDR – und der Gegenstand einer Diskussion von Experten und Zeitzeugen am 28. März 2019 im Deutschen Spionagemuseum.

Zeitzeugen und Experten im Gespräch

Die BND- und Stasi-Forscher Ronny Heidenreich, Daniela Münkel, Elke Stadelmann-Wenz und der Zeitzeuge Werner Bork saßen dabei auf dem Podium. Souverän zeigte sich auch Moderator Sven Felix Kellerhoff (Die Welt).

Besonders der 87-jährige Zeitzeuge Werner Bork konnte Erkenntnisse und Erfahrungen aus erster Hand beisteuern. Ende der 1940er und Anfang der 1950er Jahre war Bork aktiv in der Gruppe Werderaner Jugendlicher, einer Widerstandsgruppe in der SBZ und frühen DDR.

Aus politischem Protest zur Geheimdienst-Quelle

Nach den Erlebnissen des Zweiten Weltkrieges und seiner Kindheit in der Hitlerjugend wollte Bork nicht das „braune gegen das blaue Hemd“ tauschen. Bewusste verweigerte er sich der politischen Indoktrination. Stattdessen verteilten er und seine Gruppe Flugblätter gegen die DDR und West-Zeitungen. Teilweise wurden diese mit Ballons und Flugblattraketen unter die Leute gebracht. Dabei hatte die Gruppe Kontakt zur Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit – und zur Organisation Gehlen.

Letztere nahm Kontakt zu Bork und seinen Bekannten auf.  Sie unterstützte deren Propagandaarbeit mit gefälschten Pässen, Care-Paketen und Hinweisen. Gut war die Verbindung zwischen beiden aber nicht: Positive Kommentare der Org-Verbindungsmänner über die NS-Herrschaft führten dazu, dass Bork den Kontakt abbrach.

Die Org wiederum betrieb über Gruppen wie diese ihre aktive Arbeit gegen die DDR. Wie gefährlich das für die Beteiligten war, führte Bork ausführlich aus. Einige seiner Freunde, teilweise noch minderjährig, wurden zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt. Andere wurden nach Moskau gebracht und dort hingerichtet.

Risiken der Agententätigkeit verleugnet

Geradezu verheizt habe die Org in dieser Zeit viele junge Leute, um sie für unwichtige Aufgaben in der SBZ und DDR einzusetzen, so BND-Forscher Ronny Heidenreich. Über die Risiken waren sich nicht alle bewusst, Aufklärung oder Hilfe durch die Org gab es fast keine.

Auch das Counter Intelligence Corps (CIC), der Abwehrdienst des US-Militärs, mit dem Bork und seine Gruppe zeitgleich Kontakt unterhielten, war vor allem daran interessiert, die Jugendlichen für seine Zwecke einzuspannen. Trotzdem gab es hunderte solcher Fälle wie die Werner Borks, der später einer Entführung durch das Ministerium für Staatssicherheit nur knapp von der Schippe sprang.

Die beiden MfS-Expertinnen Daniela Münkel und Elke Stadelmann-Wenz sprachen von unzähligen Fällen, in denen ähnliche Verbindungsleute der Org und der Amerikaner nach 1953 durch die Stasi verhaftet wurden. Nicht immer sind dabei echte Geheimdienstverbindungen von solchen zu unterscheiden, die die DDR-Diktatur selbst konstruierte.

Besonders zahlreich darunter waren solche Lebensläufe wie die von Werner Bork – junge Leute, die sich nicht in das ideologische System der DDR einfügen wollten und mit der Unterstützung westlicher Dienste aktiven Widerstand leisteten. Eine weitere große Gruppe waren zudem solche V-Personen westlicher Dienste, die in der SBZ und DDR Militäranlagen beobachteten.

Spionageabwehr der Stasi

Über die ganzen 50er-Jahre verteilt ging die Anzahl solcher Quellen von Org und BND in die Tausende; in drei Verhaftungswellen schaltete die Spionageabwehr der DDR rund 1000 tatsächliche und vermeintliche Spione aus, mit zum Teil tödlichen Folgen.

Nicht alle Geheimnisse der BND-Spionage konnten an diesem Abend gelüftet werden. Für die 1950er-Jahre, zumal für Propagandaaktionen der Org und einiger verbündeter Organisationen, wurden spannende Erfahrungen aus erster Hand vorgeführt. Durch die seltene Gelegenheit des Gesprächs mit einem Zeitzeugen jener Epoche erhielt die Veranstaltung einen natürlichen Schwerpunkt.

Doch auch die folgenden Jahrzehnte der BND-Spionage in der DDR sind keineswegs vergessen. Weitere spannende Veranstaltungen im Deutschen Spionagemuseum sind also garantiert!


In der nächsten Veranstaltung im Deutschen Spionagemuseum am 9. April 2019 gibt der Forscher Michael Butter spannende Einblicke in die Welt der Verschwörungstheorien.

Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 02.04.2019