Was zu Zeiten des Kalten Krieges noch unvorstellbar schien, ist heute Wirklichkeit: Wissenschaftler, die ihr Leben und ihre Karriere der Erforschung geheimer Nachrichtendienste gewidmet haben, kommen auf öffentlichen Tagungen zusammen. Eines der ältesten Formate zum wissenschaftlichen Austausch über die Welt der Spionage ist die International Intelligence Historians Association IIHA, die Internationale Vereinigung von Nachrichtendiensthistorikern.
Seit 1994 bringt dieser in Deutschland registrierte, internationale Verein die Forschung und Beschäftigung mit Nachrichtendiensten voran. Einige der Gründungsmitglieder sitzen zudem in den offiziellen Historikerkommissionen des Bundesnachrichtendienstes oder des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Das wichtigste IIHA-Event: die Jahreskonferenz.
Zu ihrem 25-jährigen Geburtstag kam die IIHA dazu – erstmals seit Bestehen – nach Berlin. Washington, Athen, Graz und München zählten bereits zu den Tagungsorten. Nun also trafen sich die Nachrichtendiensthistoriker in der Hauptstadt der Spione. Welcher Ort wäre dazu besser geeignet als das Deutsche Spionagemuseum, in Sichtweite der ehemaligen Grenzlinie des Kalten Krieges.
Die dreitägige Konferenz stand unter dem Motto „Nachrichtendienst, Diplomatie und Internationale Beziehungen“. Nicht fehlen durfte dabei natürlich ein eigenes Diskussionsforum zur Hauptstadt der Spione in Berlin. Spionage und nachrichtendienstliche Aktivitäten waren und sind ein immer wieder anzutreffendes Phänomen in der deutschen Hauptstadt. Die meisten der Vortragenden konzentrierten sich dabei auf die Zeit des Kalten Krieges.
Die Erinnerungen von Bruce M. MacKay, selbst als Nachrichtenoffizier der US-Army in Berlin stationiert, trugen zum Beispiel die Überschrift: „West-Berlin: Heimat kurioser und seltsamer Bemühungen nachrichtendienstlicher Beschaffung im Kalten Krieg“. Und kurios waren MacKays Schilderungen allemal.
Die bundesdeutsche Hauptstadt und generell Deutschland stand bei den weiteren Betrachtungen im Mittelpunkt. Die Bandbreite der Themen reichte von nachrichtendienstlicher Kooperation über den Einfluss von Nachrichtendiensten auf die internationalen Beziehungen bis hin zur Kontrolle von Nachrichtendiensten im internationalen Vergleich. Wie die IIHA-Konferenz jedes Jahr aufs Neue beweist, ist das Feld der wissenschaftlichen Erforschung von Nachrichtendiensten nicht nur ein spannendes, sondern auch ein wachsendes Feld. Nachwuchsforscher erhalten bei der IIHA eine eigene Plattform. Dass dieses Feld keineswegs länger eine Männerdomäne ist, zeigte das erste ausschließlich mit Frauen besetzte Konferenzpanel.
Die Beschäftigung mit Nachrichtendiensten boomt. Gesellschaft und Politik sind von diesem Thema fasziniert. Zurecht fordern sie wissenschaftliche Expertise und Analyse zu Spionage, Agenten und Nachrichtendiensten. Der Chairman der IIHA, Prof. Shlomo Sphiro, ging darauf in seiner Festrede ein.
Ein positives Fazit zog er nicht nur hinsichtlich der Arbeit der IIHA, ihrer Konferenz und dem durch die IIHA gegründeten Journal for Intelligence History. Positiv ist auch die Resonanz aus Gesellschaft und Politik auf die wissenschaftliche Arbeit. Und die politischen Herausforderungen unserer Zeit lassen nicht erwarten, dass die Aufgaben von und das Interesse an Nachrichtendiensten in naher Zukunft geringer werden.
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 22.05.2019