„Aus Worten werden Taten werden“ – unter dieser Devise kündigte die neue Leitung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) unter Thomas Haldenwang und seinem Stellvertreter Sinan Selen bereits Ende 2018 ihren neuen Fokus auf die Themen Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus an. Nach dem mutmaßlich rechtsextremistisch motivierten Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Juni 2019 wurde dies zur traurigen Gewissheit. Nur zwei Wochen nach dieser Tat stellte der Verfassungsschutz seinen jährlichen Bericht für das Jahr 2018 vor.
Seit der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre veröffentlicht der deutsche Inlandsnachrichtendienst BfV einmal im Jahr einen Jahresbericht. Damals war dies eine erster Gang in die Öffentlichkeit, mit dem der „geheime Dienst“ auch zur Prävention beitragen wollte. Keineswegs unumstritten war diese Art der Öffentlichkeitsarbeit zu jener Zeit. Das galt sowohl im Verfassungsschutz als auch in der Regierung, Juristen und der Öffentlichkeit.
Dabei informierte der Verfassungsschutz ohnehin bereits seit den 1950er-Jahren einmal jährlich andere, interessierte Behörden in einem umfänglichen Bericht über seine Arbeit und die Hauptbedrohungen des letzten Jahres. Noch heute finden sich diese Berichte in vielen Archiven. Eine gekürzte Version wurde dann schließlich auch der Öffentlichkeit präsentiert.
In den letzten Jahren dominierten bei der Präsentation des Verfassungsschutzberichtes stets der islamistische Terror und der Islamismus. Wohingegen diese Bedrohung zwar weiterhin akut ist, gilt der Fokus des Verfassungsschutzes und des Innenministeriums nun noch mehr als in der Vergangenheit dem Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus. Die Zahlen, die der Verfassungsschutzbericht dabei für das Jahr 2018 präsentierte, bezeichnete Innenminister Horst Seehofer als „besorgniserregend“.
24.100 Personen werden dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet. Davon seien 12.700 gewaltbereit und 1088 Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund wurden verübt. Die Zahlen spiegeln dabei, ähnlich wie beim Linksextremismus, wo zwar 32.000 Personen gezählt wurden, von denen 9000 gewaltbereit seien, nur einen unwesentlichen Anstieg im Vergleich zu 2017 wider. Eine deutliche Verschiebung an der Spitze und den Prioritäten macht sich also beim Verfassungsschutz bemerkbar.
Wesentlich schmallippiger zeigt sich der Verfassungsschutzbericht traditionell beim Thema Spionageabwehr. Neben der Extremismusabwehr ist dies eine der Hauptaufgaben des Verfassungsschutzes. Jedoch ist die Spionageabwehr in Deutschland oftmals ein ungeliebtes und vernachlässigtes Kind. Kaum zu glauben ist angesichts der ausführlich und als immer dringlicher dargestellten Bedrohung durch ausländische Spionage die Angabe, dass der zuständige Generalbundesanwalt 2018 gerade einmal 19 neue Ermittlungsverfahren wegen Spionage einleitete.
Und so finden sich die Einschätzungen des Verfassungsschutzes zu Ausmaß, Akteuren, Zielrichtungen und Methoden ausländischer Spionage in Deutschland auch erst auf Seite 288 des Verfassungsschutzberichts. Öffentlich über geheime Spionage und die eigene Spionageabwehr zu schreiben, ist schwierig. Denn eigene Methoden, Quellen und der tatsächliche Kenntnisstand müssen ja vor den anderen Nachrichtendiensten geheim gehalten werden.
So finden sich in den Verfassungsschutzberichten vor allem Standard-Formulierungen, die sich oftmals über Jahre nicht ändern. Einzelfälle aufgedeckter Spionage werden zudem nur genannt, wenn sie vorher bereits ausführlich in der Tagespresse beschrieben und vor Gericht gebracht wurden.
Interessant sind die Berichte also auch immer in Hinblick darauf, was sie alles unerwähnt lassen. Dazu gehörte 2018 zum Beispiel die „360 Grad-Ausrichtung“ der deutschen Spionageabwehr, die auch sogenannte befreundete Nachrichtendienste „im Auge behalten sollte“. Diese zentrale Forderung des Snowden-Untersuchungsausschusses tauchte 2017 noch auf, mit einem Beispiel eines Schweizer Spions in Deutschland. 2018 hingegen wurden unter „sonstige Nachrichtendienste“ nur noch die syrischen und vietnamesischen Geheimdienste gelistet.
Der Fokus der Spionageabwehr des Verfassungsschutzes liegt also dem Bericht nach auf den Geheimdiensten Russlands, Chinas, Irans, der Türkei, Nordkoreas und Pakistans. Russland und China betreiben dabei die gesamte Bandbreite von Spionage, also sowohl politische, militärische, wirtschaftliche oder Cyber-Spionage. Nordkorea konzentriert sich auf die illegale Beschaffung militärischer Güter und Geldwäsche, der Iran auf die Verfolgung exil-iranischer Oppositioneller, die Türkei auf die Gülen-Bewegung und Pakistan auf die illegale Beschaffung von Militärtechnik.
Großen Raum räumt der Verfassungsschutzbericht für 2018 dem Thema Cyberspionage ein. Er nennt zahlreiche konkrete Angriffe, die vor allem Russland und China zugeschrieben werden. Ebenso gibt der Bericht einen Überblick über die grundlegenden Methoden, die vor allem russische, chinesische, iranische und der türkische Geheimdienst bei ihrer Arbeit in und gegen Deutschland anwenden.
Bilder
Titelblatt des Verfassungsschutz-Berichts 2018: Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat
Emblem des Bundesamts für Verfassungsschutz: BfV
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 23.07.2019