Fritz Kolbe nimmt als Agent und Widerstandskämpfer im Zweiten Weltkrieg eine besondere Rolle ein. Einmal aufgrund des hochwertigen Informationsmaterials, an welches er durch seine Anstellung im Auswärtigen Amt gelangte. Unter dem Decknamen George Wood übermittelte er es den Geheimdiensten der Alliierten. Des Weiteren wegen seines Schicksals nach dem Zweiten Weltkrieg, als ihm eine Rückkehr an seinen Arbeitsplatz ins Auswärtige Amt verwehrt wurde.
Eine Anerkennung seiner Verdienste seitens der deutschen Regierung erfolgte erst 2004. Das war lange nach dem Tod Kolbes. Andreas Kollender hat sich in dem Roman „Kolbe“ des Themas angenommen. Wie er zu dem Stoff kam, welche Recherchen er betrieb und wie nah er dabei an der Realität blieb, erzählte der Autor auf seiner Lesung am 3. Dezember 2019 im Deutschen Spionagemuseum.
Auch wenn der Roman die Ereignisse verdichtet darstellt und daher gewisse erzählerische Freiheiten einfordert, fühlte sich Kollender in weiten Teilen den historischen Tatsachen verpflichtet. Bei den Liebes- und Familienverhältnissen orientierte sich der Autor zum Beispiel an den realen Gegebenheiten. Er schmückte diese aber aus. So machte er Kolbes Liebesbeziehung zu einem elementaren Bestandteil der Geschichte. Details wie den Namen der Frau veränderte er. Der Sohn von Kolbe, mit dem dieser ein schwieriges Verhältnis hatte, wurde zur Tochter.
Dagegen gestalteten sich vor allem die realen Details zu den Agententätigkeiten Kolbes so spannend, dass hier keine fiktive Ergänzung nötig war. So entsprach es zum Beispiel der Wahrheit, dass Kolbe die Geheimakten ans Bein gebunden aus dem Amt geschmuggelt habe, um davon zu Hause Kopien anzufertigen.
Einen weiteren interessanten Aspekt von Kolbes Arbeit brachte Kollender auf, als es darum ging, welchen Effekt Kolbes Tätigkeit auf den Kriegsverlauf hatte. Immerhin lieferte dieser um die 2000 Akten an die Amerikaner. Dabei ging es oft um brisante Details. Dazu gehörten das V-Waffenprogramm und der deutsche Spion Elyesa Bazna an der britischen Botschaft in Ankara.
Das Grundproblem bei Kolbes Material: Die Qualität war dermaßen hochwertig und brisant, dass Zweifel von amerikanischer Seite aufkamen. Man fürchtete, dass es sich um sogenanntes Spielmaterial handelte, also Falschinformationen, die von deutscher Seite gezielt gestreut worden seien, um den Gegner zu täuschen. Zu unwahrscheinlich erschien es vielen, dass eine einzige Quelle so viele gute Informationen liefern konnte.
Aus diesem Grund haben die Informationen wohl nicht den Effekt gehabt, den sie hätten haben können. Aber einige Maßnahmen der Amerikaner resultierten aus der Spionagetätigkeit Kolbes und flossen so auch in Kollenders Roman ein. dazu gehörte zum Beispiel das gezielte Bombardement einer deutschen Fabrik.
Andere Widerstandkämpfer gegen den Nationalsozialismus wie Dietrich Bonhoeffer wurden schon bald nach dem Krieg geehrt. Fritz Kolbe aber blieb lange ein Unbekannter. Sein Name war auf keiner Liste deutscher Widerstandkämpfer zu lesen. Und das, obgleich ihn sein ehemaliger Kontaktmann und späterer CIA-Chef Allen Dulles als einen der wichtigsten Agenten im Zeiten Weltkrieg bezeichnete.
In seinem Heimatland galt Kolbe als Verräter. Gezielt wurde seine Widereinstellung im Auswärtigen Amt verhindert. Daran änderte sich auch nichts, als zumindest der Vorwurf des Verrats gegen Kolbe Mitte der 1960er-Jahre zurückgenommen wurde.
Den Rest seines Lebens musste Fritz Kolbe mit bescheidenen Mitteln bestreiten. Er erhielt eine kleine finanzielle Unterstützung von amerikanischer Seite, die auf Initiative Allen Dulles erfolgte. Zudem verdingte er sich unter anderem als einfacher Handlungsreisender, bevor er 1971 verstarb. Erst 2004 erfuhr er eine erste Ehrung durch den damaligen Außenminister Joschka Fischer, als dieser den Fritz-Kolbe-Saal im Auswärtigen Amt einweiht. Seit 2006 wird Fritz Kolbe auch in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand aufgeführt. Es bleibt zu hoffen, das Kollenders spannend und unterhaltsam geschriebener Roman dabei hilft, das Gedächtnis an Kolbe wach zu halten.
In der nächsten Veranstaltung im Deutschen Spionagemuseum am 10. Dezember 2019 geben die Geheimdienst-Historiker Thomas Riegler und Siegfried Beer einen Einblick in die vergangenen und aktuellen Spionageaktivitäten in Österreichs Hauptstadt Wien.
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 05.12.2019