Der revolutionäre Umsturz in Kuba 1958 unter der Führung von Fidel Castro sowie der folgende Umbau des Landes nach marxistisch-leninistischen Vorbild stellte aus Sicht amerikanischer Politiker, Militärs und Geheimdienste eine immense Gefahr dar. Es galt, eine weitere Annäherung Kubas an die Sowjetunion und die Ausbreitung des Kommunismus in Südamerika zu verhindern.
Doch es brauchte einen triftigen Grund, um Kuba mit Billigung des In- und Auslands angreifen offiziell zu können. Das Fundament für einen solchen Krieg sollte ein Geheimplan liefern, der unter anderem Angriffe auf die Zivilbevölkerung der USA vorsah: die Operation Northwoods. Vor genau 58 Jahren, am 13. März 1962, wurde dem damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy der Plan vorgelegt, der als einer der bedeutendsten Angriffspläne unter falscher Flagge in die Geschichte eingehen sollte.
Der Begriff Northwoods stammt ursprünglich aus der Seefahrt und bezeichnet ein Täuschungsmanöver. Ziel war es, die eigene Identität zu verschleiern und die Schuld einem unbeteiligten Dritten zuzuschieben. Der Operationsplan wurde auf Anfrage des Pentagons von den Stabschefs aller Truppengattungen erstellt, um die Invasion auf Kuba zu legitimieren. Das Dokument listet verschiedene Möglichkeiten auf, um reale oder simulierte Anschläge zu inszenieren.
Ein Teil der Anschläge sollten durch Exilkubaner unter Anleitung der CIA auf und um die amerikanische Naval Base in Guantanamo Bay ausgeführt werden. Der Plan sieht unter anderem die Inszenierung von kubanischen Aufständen in der Nähe der Basis, das Abbrennen eines Flugzeugs auf dem Übungsgelände und das Sinken eines Schiffes im Hafen vor, inklusive vorgetäuschter Beerdigungen der Besatzung.
Die Anschläge sollten als Sabotageakt der Kubaner deklarieren werden. Als Antwort könnten die US-Streitkräfte dann offensive Operationen durchführen, um Versorgung der Basis zu gewährleisten. Darauf folgten weitere Vorschläge, um die amerikanische Bevölkerung für einen Angriff positiv zu stimmen.
Vorgeschlagen wurde zum Beispiel eine fingierte “kubanische Terrorserie” in den Städten Floridas und in Washington. Das Ziel stellten kubanischen Flüchtlingen dar, die in den USA Asyl suchten. In der Folge sollten dann kubanische Agenten als Täter vorgeführt werden.
Außerdem wollte man das Ansehen Fidel Castros und der Sowjetunion in anderen südamerikanischen Staaten beschädigen. Konkret wurde erwogen, mit kubanischen Flugzeugen Zuckerfelder der Dominikanischen Republik in Brand zu setzen. Als vermeintliche Beweismittel sollten gefälschte sowjetische Skizzenbücher dienen, gekoppelt an gefälschte Nachrichten. Auch wurde die Möglichkeit in Betracht gezogen, sowjetische Militärflugzeuge nachzubauen, um Anschläge auf Land-, Luft- und Wassertransporte zu inszenieren.
Ein weiterer Vorschlag sah vor, die amerikanische Gesellschaft mit einem simulierten Abschuss eines Charterflugzeuges, gefüllt mit Studenten, zu täuschen. Auf dem Air Force Stützpunkt Eglin sollte eine ferngesteuerte Kopie des echten Charterflugzeuges hergestellt werden, um sie dann zu einem bestimmten Zeitpunkt mit der echten Maschine auszutauschen.
Eine weitere Simulation beinhaltete den fingierten Abschuss eines Flugzeugs der US Air Force durch ein kubanisches Kampfflugzeug. Die Planung sah vor, vier bis fünf Flugzeuge des Typs F-101 nahe der kubanischen Luftraumgrenze auf Übungsflüge zu schicken. Ein im Vorhinein instruierter Pilot hätte dann einen Notruf abgesetzt, dass er attackiert worden sei. In Wirklichkeit wäre der Pilot nach Absetzen des Notrufs im Tiefflug zum Stützpunkt geflogen. Ein U-Boot hätten anschließend Flugzeugteile und einen Fallschirm vor der kubanischen Küste im Wasser platziert, um den Anschein eins abgeschossenen Wracks zu erwecken.
Bei derart drastischen Methoden erklärt es sich von selbst, dass die Pläne streng geheim waren. Erst 1997 wurden der Öffentlichkeit durch den Freedom of Information Act Dokumente über den Geheimplan zugänglich gemacht. Die Reaktionen sprachen für sich:
„Geheimen und lange unter Verschluss gehaltenen Dokumenten zufolge […] machte und verabschiedete der Vereinigte Generalstab Pläne, die vielleicht die schlimmsten waren, die je von einer US-amerikanischen Regierungsinstanz produziert worden sind. Im Namen des Antikommunismus schlugen die Militärs einen geheimen und blutigen Terrorkrieg gegen ihr eigenes Land vor, um die amerikanische Öffentlichkeit für den irrwitzigen Krieg zu gewinnen, den sie gegen Kuba führen wollten.“
James Bamford (Journalist, Autor und Geheimdienstexperte)
Allerdings kamen die brisanten Pläne nie zur Ausführung. US-Präsident John F. Kennedy und Außenminister Robert McNamara lehnten den Vorschlag ab. Anderen Plänen der CIA gegenüber zeigte sich die Kennedy-Regierung offener. Die Operation Mongoose etwa hatte zum Ziel, Fidel Castro durch Anschläge gezielt umzubringen oder ihn zu stürzen. Der kubanische Geheimdienst geht von insgesamt 638 Anschläge auf Castro aus, die CIA bekannte sich davon offiziell zu acht Mordanschlägen.
Angesichts solcher Enthüllungen verwundert es wenig, wenn bei Anschlagsserien wie dem 11. September 2001 Verschwörungstheorien um eine vermeintliche Beteiligung der US-Regierung entstehen. Stichhaltige Beweise aber, die diese Theorien untermauern könnten, fehlen bisher. Mehr Hintergründe zu dieser und anderen Verschwörungstheorien gibt es im Deutschen Spionagemuseum.
Bilder
Präsident Kennedy mit seinen Stabchefs 1961: Abbie Rowe. White House Photographs. John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston
US Militärflugzeug 101: US Air Force
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 13.03.2020