Auch wenn die USA in den ersten Jahren des 2. Weltkriegs noch nicht aktiv an den Kriegshandlungen teilnahmen, unterstützen sie Großbritannien auf vielen Ebenen beim Kampf gegen das Deutsche Reich.
Zu dieser Unterstützung gehörte es auch, geheimdienstliche Operationen des britischen Auslandsnachrichtendienstes Secret Intelligence Service (besser bekannt als MI6) auf amerikanischem Boden zu ermöglichen. Ab 1940 konnte der MI6 aufgrund dieser Kooperation die als Nachrichtenagentur getarnte British Security Coordination (BSC) in New York aufbauen.
Zu den zahlreichen Aufgaben der BSC zählte der Aufbau eines streng geheimen Trainingslagers für Spezialagenten. Die Anlage lief unter dem Decknamen Camp X und sollte sich als Vorbild für weitere ähnlicher Anlagen etablieren.
Der Standort der geheimen Einrichtung mit der offiziellen Bezeichnung Special Training School No. 103 (S.T.S. 103) lag nicht auf dem Gebiet der USA. Es befand sich sondern zwischen den kanadischen Städten Whitby und Oshawa am Ufer des Ontariosees. Hier bildete das BSC Agenten für die britische Spezialeinheit Special Operations Executive (SOE) aus.
SOE-Agenten führten im 2. Weltkrieg vor allem in von Deutschen besetzten Ländern Sabotageaktionen durch. Sie zerstörten Infrastrukturen wie Eisenbahnen oder Brücken und behinderten die Bewegung und Versorgung des Feindes. Außerdem unterstützen die Agenten die lokalen Widerstandsgruppen.
Die angehenden Agenten durchliefen bei ihrer Ausbildung ein vielschichtiges Programm. Sie erlernten klassische Spionagetechniken wie das Sammeln von Informationen, das Öffnen von Schlössern, Funkkommunikation und Morseausbildung. Zudem gab es kryptografische Schulungen für das Ver- und Entschlüsseln von Nachrichten.
Auch kriegsspezifische Techniken zu Sabotage und Sprengstofftraining, wie man Partisanen rekrutiert, unbewaffneter Nahkampf sowie der Kunst des stillen Tötens standen auf dem Lehrplan.
Die Nahkampfausbildung übernahm William Fairbairn, der unter dem bezeichnenden Spitznahmen Dangerous Dan bekannt war. Fairbarn verfügte über jahrelange Erfahrung auf diesem Gebiet. Gemeinsam mit seinem Kollegen Eric Sykes enbtwickelte er das legendäre Fairbairn-Sykes-Kampfmesser. Bis heute wird es von Spezialeinheiten genutzt.
Der Beginn der Nutzung von Camp X am 6. Dezember 1941 fand unmittelbar vor einem kriegsentscheidenden Wendepunkt statt. Am Folgetag griff das mit Deutschland verbündete Japan ohne Kriegserklärung die US-Flotte in Pearl Harbour an. Damit provozierte es den Kriegseintritt der USA.
Aus diesem Grund erhielten danach auch amerikanische Agenten des FBI und Office of Strategic Services (OSS) ihre Spezialausbildung in Camp X. Historiker gehen davon aus, dass dort bis zum Kriegsende etwa 500-2.000 Agenten trainiert wurden. Fast alle kamen anschließend hinter feindlichen Linien zum Einsatz.
Ab 1942 nahm der Einrichtung eine weitere bedeutende Funktion ein: Sie wurde unter dem Decknamen Hydra die Endstelle für die weltweite Kommunikation zwischen den verbündeten Ländern USA, Kanada und Großbritannien.
Als Gegenstelle agierte dabei unter anderem die Station X in Bletchley Park nahe London. Diese erlangte Berühmtheit, weil es dort gelang, die deutsche Chiffriermaschine Enigma zu knacken.
Damit die Deutschen den hochgeheimen Nachrichtenverkehr der Alliierten nicht mithören konnten, arbeitete Hydra mit Rockex-Chiffriermaschinen. Die Verschlüsselung auf Basis des One-Time-Pad-Verfahrens war extrem sicher. Aus diesem Frund kamen einige Rockex-Chiffriermaschinen bis in die 1980er-Jahre zum Einsatz.
Nach dem Krieg nutzte die kanadische Regierung die Einrichtung bis 1969 als Fernmeldestation. Heute trägt das Gelände den Namen Intrepid Park. Es ist benannt nach dem MI6-Codenamen von Sir William Stephenson. Er war jener Direktor des BSC, unter dessen Führung Camp X einst gegründet wurde. Von den Gebäuden ist allerdings nichts mehr vorhanden. Lediglich ein Mahnmal erinnert noch an die einst hochgeheime Ausbildungststätte.
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 06.12.2020