Berlin, Mitte der 1950er-Jahre: Schon in der Frühzeit des Kalten Kriegs avancierte die Metropole an der Spree zur Hauptstadt der Spione. Eine der spektakulärsten Spionageoperationen war die Operation Gold, eine Kooperation von CIA und MI6. Ziel war es, eine zentrale Kommunikationsleitung im Ostteil Berlins anzuzapfen, um die Kommunikation von sowjetischen Militärs und Diplomaten abzuhören.
Der Aufwand war gewaltig, über den tatsächliche Nutzen streiten die Experten bis heute. Das ist vor allem deshalb schwierig, weil ein Doppelagent namens George Blake das Vorhaben bereits ab der Planungsphase begleitete und verriet. Der langjährigen Haftstrafe, die auf seine Enttarnung folgte, entzog er sich mit einer spektakulären Flucht. Am 26. Dezember 2020 ist George Blake im Alter von 98 Jahren gestorben.
Erste Geheimdiensterfahrung sammelte der 1922 in Rotterdam geborene Blake im Zweiten Weltkrieg, als er unter anderem für den niederländischen Widerstand aktiv war. Nach dem Krieg begann er als Agent für den britischen Auslandsnachrichtendienst MI6 zuerst in Europa und anschließend in Korea zu arbeiten. Unter dem Deckmantel einer diplomatischen Tätigkeit sollte er dort Informationen über das kommunistische Nord-Korea sammeln.
Im Rahmen des Koreakriegs (1950-53) geriet Blake in nordkoreanische Gefangenschaft, aus der er nach drei Jahren als veränderter Mensch zurückkehrte.
Nach seinen eigenen späteren Aussagen waren es die Erfahrungen der Kriegsleiden, welche die koranische Bevölkerung durch die Westmächte zu ertragen hatten, die sein bisheriges Weltbild ins Wanken brachten. Diese Erlebnisse ließen ihn zum überzeugten Kommunisten werden. Vermutungen, dass Blake während seiner Gefangenschaft einer Gehirnwäsche unterzogen wurde, wies er stets zurück.
Über seine koreanischen Wächter nahm Blake Kontakt zum sowjetischen Geheimdienst MGB, dem Vorgänger des KGB, auf und bot sich als Spion an. Seinen Gesinnungswandel behielt George Blake bei seiner Rückkehr nach Großbritannien 1953 für sich. So wurde er wieder MI6-Agent und schließlich nach Berlin geschickt. Seine Aufgaben umfassten das Anwerben von sowjetischen Spionen als Doppelagenten.
Alle Details zu seiner Arbeit und etliche weitere Informationen lieferte er zeitgleich an den KGB. Dieser schätzte den Doppelagenten Blake als so wichtig ein, dass sie nicht eingriffen, als Blake 1955 von den Planungen amerikanischer und britischer Geheimdienste zu einem 450 Meter langen begehbaren Tunnel in sechs Meter Tiefe berichtete – der legendären Operation Gold.
Eine zu frühe Enttarnung des Tunnels hätte Blake als Doppelagent gefährdet, und so ließ die UdSSR es zu, dass Amerikaner und Briten den Tunnel elf Monate lang nutzten.
1959 wurde Blake durch einen Überläufer verraten. Im anschließenden Prozess erhilt er eine 42-jährigen Haftstrafe. Unterstützt von Mithäftlingen gelang es Blake allerdings schon 1966, aus dem Gefängnis zu fliehen. Die Aktion wäre fast gescheitert: Blake verletzte sich beim Sprung von der sieben Meter hohen Außermauer. Nur die schnelle Hilfe eines dort wartenden Komplizen rettete ihn.
Anschließend schmuggelten Helfer den Doppelagenten versteckt in einem Campingbus bis an die DDR-Grenze. Von dort gelangte Blake bis nach Moskau, wo er den Rest seines Lebens verbrachte.
In seiner neuen Heimat wurde Blake in den Rang eines Obersts des KGB erhoben und erhielt zahlreiche Ehrungen. Unter anderem überreichte ihm Vladimir Putin 2007 zu seinem 85. Geburtstag den Orden der Freundschaft. Blake selbst bereute sein Handeln nie und vertrat diese Position in Interviews und seiner 1990 erschienen Autobiografie.
Die Nachricht von seinem Tod verkündete nun der russische Auslandsnachrichtendienst SWR. Dessen ehemaliger Leiter Sergey Lebedev hatte im Vorwort von Blakes letzter Publikation „Transparent Walls“ betont, dass Blake immer noch eine aktive Rolle bei den russischen Geheimdiensten einnähme.
Putin schrieb in seiner Beileidsbekundung, dass Blake „einen wertvollen Beitrag zur Gewährleistung der strategischen Ausgeglichenheit und zur Wahrung des Friedens auf dem Planeten“ geleistet habe.
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 27.12.2020