Neue Enthüllungen machen die Ausmaße der Anwendung von Spionagesoftware des israelischen Unternehmens NSO deutlich. Die speziell für Geheimdienste, Polizei und Militär entwickelte Software soll eigentlich nur dem Kampf gegen Kriminelle und Terroristen dienen. Das Ergebnis umfangreicher Recherchen aber lautet, dass sie auch bei der Verfolgung von Aktivisten, Journalisten und Politikern zum Einsatz kommt.
NSO gehört zu den führenden Anbietern von Überwachungssoftware weltweit. Schon seit längerem gibt es Vorwürfe von Menschenrechts-Organisationen, dass ein Spitzenprodukt der Firma, die Spionagesoftware Pegasus, in einigen Ländern gegen kritische Journalisten und Aktivisten eingesetzt wird. Das Unternehmen beliefert Behörden in über 40 Ländern, Details zu seinen Kunden gibt das Unternehmen nicht heraus.
Die Software lässt sich aus der Ferne auf Handys einspielen. Genutzt werden verschiedene Zugangswege, bei denen aber jeweils die Handynummer des Anschlusses benötigt wird. Das kann ein präparierter Anruf oder SMS-Link sein, eine unsichtbare iMessage sowie weitere Zugangswege über Hintertüren diverser Apps. Anschließend sind die Überwacher in der Lage, sowohl auf die Gerätedaten zuzugreifen, als auch beliebig Mikrofon und Kamera zu aktivieren oder den Standort des Handys zu ermitteln. Auf diese Weise ist es möglich, nicht nur die Nutzer der Handys, sondern auch deren Umgebung zu überwachen.
Die Grundlage der aktuellen Erkenntnisse bildet ein Leak mit 50.000 Telefonnummern von Personen, die Kunden der NSO überwachen lassen wollten. Die Daten wurden der investigativen Redaktion Forbidden Stories und der Menschenrechtsorganisation Amnesty International von einer Quelle zugespielt, die aus Sicherheitsgründen nicht näher benannt ist. Im Rahmen des Projekt Pegasus arbeiteten zahlreiche internationale Medien, unter anderem ZEIT, Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR, die Daten auf.
Die Auswertung zeigte deutlich, dass die Pegasus-Software nicht nur bei Kriminellen und Terroristen zum Einsatz kam, sondern auch gegen Journalisten, Menschenrechtsaktivisten, Oppositionelle und Politiker. Unklar bleibt, wie viele der 50.000 Telefonnummern tatsächlich ausspioniert wurden. Eine Untersuchung von 67 der gelisteten Geräte ergab, dass sich auf 37 Spuren der Pegasus-Software fanden. Um an die untersuchten Geräte zu gelangen, wurden zuvor deren Halter ausfindig gemacht und kontaktiert.
Allerdings ist die Software sehr gut darin, die eigenen Spuren zu verwischen. Die neueste Version verbleibt laut Experten nicht auf dem Handy, sondern löscht sich mit jedem Neustart des Geräts. Der Nachweis einer Infektion ist also mitunter kaum möglich.
Da NSO die Vorwürfe zurückweist und Einblicke in seine Arbeit verweigert, ist nicht umfassend festzustellen, welche Staaten die Software zu ungerechtfertigten Überwachungszwecken einsetzen. Die Recherchen ergaben, dass mindestens zehn Staaten Pegasus zu unrechtmäßigen Überwachungszwecken einsetzen. So sollen Familienmitglieder des 2018 ermordeten Journalisten Jamal Khashoggi von saudischen Agenten mit Pegasus-Software ausspioniert worden sein. Die Washington Post wies nach, dass Ungarn die Software gegen mehrere Journalisten und Anwälte eingesetzt hat. Der ungarische Geheimdienst IH bestreitet die Vorwürfe.
Klare Worte zu den Enthüllungen um die Pegasus-Software kommen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Justizkommissar Didier Reynders. Beide verurteilen einen Einsatz der Software als gesellschaftliches Kontrollwerkzeug und sehen dies als konträr zu den Werten der EU. Das Deutsches Spionagemuseum wird zum Fortgang der Recherchen berichten.
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 20.07.2021