Geheimdienste haben ein äußerst vielfältiges Aufgabenfeld. Immer wieder kamen sie auch als Unterdrückungsinstrumente autoritärer Regime zum Einsatz. In den 1970er-Jahren beschlossen sechs südamerikanische Regime eine grenzübergreifende Zusammenarbeit ihrer Geheimdienste, um gemeinsam gegen oppositionelle Personen und Gruppierungen vorzugehen. Unterstützung kam dabei aus dem Norden des amerikanischen Kontinents: von den USA.
Der Vorschlag zu der außergewöhnlichen Kooperation stammte von dem chilenischen Geheimdienstchef Manuel Contreras. Diesem unterstand die chilenische Geheimpolizei DINA (Dirección de Inteligencia Nacional), gegründet 1973 – im Jahr der Machtergreifung des chilenischen Diktator Augusto Pinochet. Sie entwickelte sich zu einem seiner wichtigsten Instrumente brutaler Herrschaftssicherung
Beteiligt an der am 25. November 1975 besiegelten Vereinbarung waren neben Chile die Geheimdienste der Länder Argentinien, Paraguay, Uruguay, Bolivien und Brasilien. Das Hauptquartier der DINA wurde zur gemeinsamen Informationszentrale des Geheimdienst-Bündnisses auserkoren. Eine enge Zusammenarbeit bestand zudem mit den Geheimdiensten der USA. Diese Kollaboration reichte bereits weiter zurück, unter anderem hatte die CIA bereits bei der Machtergreifung Pinochets unterstützend eingegriffen.
Die Gemeinsamkeit der beteiligten Länder lag vor allem in der Tatsache begründet, dass sie alle von politisch rechtsgerichteten Regimen geführt wurden. Der Aufgabenbereich des Bündnisses reichte vom einfachen Informationsaustausch bis hin zur gezielten Verfolgung und auch Tötung von oppositionellen Kräften.
Die Schätzungen, wie viele Personen der Operation Condor zum Opfer fielen, schwanken zwischen vielen hundert bis mehreren tausend Menschen. Oft gestaltete es sich allerdings schwierig, zwischen direkten Condor-Opfern und den zahlreichen sonstigen Opfern der südamerikanischen Machthaber jener Zeit zu differenzieren.
Die genannten Aktionen fanden nicht nur in den beteiligten Staaten des Geheimdienst-Bündnisses, sondern zum Teil auch im Ausland, sowohl in den USA als auch in Europa statt. Die in der Operation durchgeführten Verhaftungen und Verschleppungen ereigneten sich in der Regel ohne gerichtliche Grundlagen.
Die CIA unterstützte die Operation organisatorisch, finanziell und technisch. Diese Unterstützung sah man als Beitrag im internationalen Kampf gegen den Kommunismus an. Aus diesem Grund war auch US-Außenminister Henry Kissinger ein Unterstützer der Operation Condor, wie später freigegebene Geheimdienst-Dokumente nahelegen.
Ein Ende fand die Operation erst, als die beteiligten autoritären Regime in den 1980er-Jahren nach und nach von demokratischen Regierungen abgelöst wurden.
Es sollte bis 1992 dauern, bis die Öffentlichkeit von der Operation Condor erfuhr. Damals stieß der paraguayische Anwalt und Menschenrechtler Martín Almada während Recherchen in einer Polizeistation in Paraguay auf Dokumente, die Details der Operation und weiterer repressiver Maßnahmen enthüllten. In den folgenden Jahren bemühten sich die Staatsanwaltschaften der betreffenden Länder, weitere Hintergründe der Operation aufzudecken und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen.
Auch wenn viele der beteiligten Akteure vor oder während dieser Aufarbeitung verstarben, so entgingen dennoch nicht alle ihrer Strafe. Unter anderem wurde DINA-Leiter Manuel Contreras wegen der Verbrechen während der Operation Condor und zahlreicher anderer Aktionen zu einer Haftstrafe von über 500 Jahren verurteilt.
Die US-Unterstützung der Operation wurde seit der Präsidentschaft von Bill Clinton schrittweise aufgearbeitet, unter anderem durch die Veröffentlichung von Geheimdienst-Dokumenten. Personelle Konsequenzen allerdings hatten diese Enthüllungen nicht.
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 25.11.2021