Rückblick: Cicero – Hitlers Mann am Bosporus

Einige reale Spionagegeschichten sind spektakulärer als so mancher Agentenfilm. Dazu gehört auch die Geschichte des deutschen Spions Elyesa Bazna mit dem Decknamen Cicero. Am 23. Juni 2022 präsentierte der Autor Raymond Kiesbye das Ergebnis seiner eingehenden Auseinandersetzung mit dem Agenten Cicero im Deutschen Spionagemuseum.

Deutscher Spion in britischer Botschaft

Raymond Kiesbyes Beschäftigung mit dem Thema beschränkte sich dabei keineswegs auf die Person Elyesa Bazna. Vielmehr gaben  die vielfältigen Archivalien, die er auswertete, einen umfassenden Einblick in das im Zweiten Weltkrieg neutralen Ankara. Die türkische Hauptstadt wurde zum von allen Seiten genutzten Spionagenest. Und hier ergab sich für Bazna durch seine Anstellung als Kammerdiener beim britischen Botschafter eine einmalige Möglichkeit zur Spionage.

Raymond Kiesbye

Mit vielen Details ausgeschmückt berichtete Kiesbye, wie Bazna im Geheimen vertrauliche Dokumente aus dem Arbeitszimmer des Botschafters entwendete und abfotografierte. Gegen hohe Geldzahlungen lieferte er diese Informationen an den deutschen Sicherheitsdienst SD. Die Dokumente erwiesen sich als so brisant, dass die Deutschen lange skeptisch blieben. „Zu schön, um wahr zu sein“, so der Tenor zu der neuen Quelle. Man fürchtete, jemand wollte sie mit Falschinformationen in die Irre leiten.

Als aber ein in den Dokumenten angekündigter Luftangriff der Alliierten auf Sofia tatsächlich stattfand, war der Beweis um die Echtheit der Informationen erbracht. Als besonders wertvoll erwiesen sich Hinweise in den Dokumenten, dass die Alliierten und die Sowjetunion 1944 einen großen Landangriff in Nordfrankreich planten. Auch der Name dieser Operation Overlord wurde bekannt – nur der genaue Ort und das exakte Datum fehlten.

Falschgeld als Agentenlohn

Doch die deutschen Geheimdienste trieben ein doppeltes Spiel. Selbst Ludwig Moyzisch, der deutsche Geheimdienstchef in Ankara und die Kontaktperson zum Agenten Cicero, wurde nicht darüber informiert, dass es sich bei dem Agentenlohn um Falschgeld handelte. Im Rahmen der Operation Bernhard produzierten KZ-Häftlinge unter deutscher Regie große Mengen an gefälschten Pfund-Noten. Das Ziel der Aktion: die britische Wirtschaft nachhaltig zu schädigen. Aus diesen Beständen wurde auch Bazna bezahlt. Die Fälschungen waren so gut, dass Bazna den Schwindel nicht bemerkte.

Die Spionagetätigkeit blieb jedoch nicht verborgen. Nach einiger Zeit fiel auf, dass die Deutschen Informationen besitzen, über die sie nicht verfügen sollten. Der Verdacht fiel schnell auf eine undichte Stelle in der britischen Botschaft. Er wurde zudem durch Berichte von Fritz Kolbe erhärtet, der als US-Agent im deutschen Außenministerium arbeitete. Doch einige Fallen mit platzierten falschen Dokumenten auf dem Schreibtisch des Botschafters brachten keine Ergebnisse. Als der Verdacht schließlich konkret auf Bazna fiel, hatte dieser bereits gekündigt und verschwand.

Fazit einer außergewöhnlichen Agententätigkeit

Wie Kiesbye abschließend berichtete, konnte Bazna seinen als Spion erworbenen Reichtum von 300.000 Pfund nach dem Krieg nur kurz genießen. Nachdem die Bank of England die Fälschungen bemerkte, löste sich der Reichtum in Luft auf. Erfolglos wandte sich Bazna sogar an Bundeskanzler Adenauer und forderte einen Ausgleich für seinen entgangenen Agentenlohn.

In den folgenden Jahren musste sich Bazna mit unterschiedlichen Jobs durchschlagen, unter anderem arbeitete er als Gesangslehrer und als Nachtwächter. Zudem versuchte er, seine Geschichte durch das Schreiben einer Biografie zu Geld zu machen. 1970 verstarb er verarmt in München.

Mehr Glück hatte seine Kontaktperson Ludwig Moyzisch. 1950 verfasste dieser seine Memoiren Der Fall Cicero. Dadurch erst erreichte die Geschichte eine größere Öffentlichkeit. Moyzisch wurde durch den Verkauf der Filmrechte zum reichen Mann. Auf Grundlage seines Buches entstand 1951 der Film 5 Fingers – ein großer Publikumserfolg. Mit der historischen Wahrheit nahm es der Film allerdings nicht sehr genau.

Wer die wahre Spionagegeschichte von Cicero im Detail erfahren möchte, sollte die Augen offen halten nach der bald erscheinenden Publikation, in der Raymond Kiesbye die Ergebnisse seiner Recherchen präsentieren wird.


Die nächste Veranstaltung im Deutschen Spionagemuseum beschäftigt sich mit einem aktuellen Ereignis Berliner der Geheimdienst-Geschichte: der Entführung eines Vietnamesen im Berliner Tiergarten am 23. Juli 2017. Zum fünften Jahrestag der Entführung versuchen wir herauszufinden, was eigentlich aus dem entführten Thanh wurde und welche politischen Konsequenzen es gab.

Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 24.06.2022