Auch wenn die Welt der Comics Mitte des 20. Jahrhunderts auf den ersten Blick einen fröhlich-unbeschwerten Eindruck vermittelte, so spiegelten diese doch oft den Zeitgeist des Kalten Kriegs wider. Am 8. September 2022 gaben Experten im Deutschen Spionagemuseum Einblicke in die Personen hinter der deutschen Comic-Kultur jener Zeit und inwiefern die bunten Bilder ideologisch eingefärbt waren.
Auf dem Podium im Deutschen Spionagemuseum gaben mit Bodo Hechelhammer und Matthias Friske zwei Experten Auskunft zur deutschen Comic-Kultur, die sichtlich Spaß an dem Thema hatten. Hechelhammer veröffentlichte in diesem Jahr mit Fürst der Füchse. Das Leben des Rolf Kauka die erste ausführliche – und durchaus kritische – Biografie über einen der deutschen Pioniere des Comic-Genres. Friske ist der Autor von Die Geschichte des »Mosaik« von Hannes Hegen, welches seit 2010 in der nunmehr dritten überarbeiteten Auflage vorliegt.
Sowohl Kauka als auch Hegen prägten die deutsche Comicgeschichte maßgeblich. Kaukas berühmteste Schöpfung, die Fuchszwillinge Fix und Foxi, erscheinen 1953 bis 1994. Mitte der 1960er-Jahre erreichten sie eine wöchentliche Auflage von 400.000. Die Comicgeschichten waren so bekannt, dass sie sogar Eingang in die allgemeine Sprachkultur fanden („Ich bin fix und foxi.“). Ähnliche Popularität erlangten im Osten des geteilten Deutschlands die Digedags, die 1955 bis 1975 vierteljährlich in der Zeitschrift Mosaik erschienen. 1974 erreichten sie eine Rekordauflage von 660.000 Exemplaren.
Hechelhammer und Friske setzten sich in ihren Publikationen vor allem mit den Persönlichkeiten hinter den berühmten Comic-Figuren auseinander: Rolf Kauka und Hannes Hegen. Wie gestaltete sich der Lebensweg und die Arbeitsweise der von der Persönlichkeit her sehr unterschiedlichen Charaktere? Unter welchen Bedingungen konnten sie ihre Visionen in der Hochzeit des Kalten Krieges verwirklichen?
Hechelhammer schilderte, dass sich die Recherche zu Kaukas Leben und Persönlichkeit recht kompliziert darstellte. Das liege auch daran, dass es Kauka selbst mit der Wahrheit nicht besonders genau nahm. Wiederholt erfand er Abschnitte seines Lebenslaufs neu. So gab der gelernte Drogist, überzeugte Nationalsozialist und begeisterte Wehrmachtssoldat sich nach Kriegsende als promovierter Literaturwissenschaftler Dr. Rudolf Kauka aus, um eine Verlagslizenz zu erhalten. Mit ähnlichen Vorgehensweisen gelang es ihm, sich durch die Verfahren der Entnazifizierung zu tricksen.
Auch Friske stieß bei seinen Recherchen auf Schwierigkeiten, die aber nicht daher rührten, dass Hegen Teile seines Lebens neu erfinden musste. Vielmehr war es die verschlossene Persönlichkeit Hegens, der im Gegensatz zu Kauka kaum in der Öffentlichkeit auftrat und nur wenige Interviews gab. Als Glücksfall für Friske erwies sich der Kontakt mit Lothar Dräger, lange der engste Mitarbeiter Hegens.
Große Unterschiede zwischen der beiden Comic-Schaffenden ergaben sich laut Hechelhammer und Friske vor allem im Hinblick auf das Sendungsbewusstsein. Kauka versuchte unter anderem in den Vorworten zu seinen Comic-Heften die Leserschaft ideologisch zu beeinflussen. So formulierte er in einem Weihnachtsgruß deutlich den Wunsch nach Freilassung der „unschuldig Gefangenen in Spandau und allen anderen Gefängnissen“ – zu einer Zeit, als in Spandau einzig Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß einsaß.
Anfang der 1960er-Jahre erwarb Kauka zudem die Rechte an der französischen Asterix-Reihe und deutete den Inhalt ideologisch um. Die gallischen Krieger wurden zu Siggi und Babarras germanisiert, aus dem Kampf der Gallier gegen die römische Herrschaft wurde der nationale Widerstand der Deutschen gegen alliierte Besatzungsmächte nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Ganze fiel schon damals auf und hatte Klagen der Original-Herausgeber zur Folge. Schließlich verlor Kauka die Lizenzen.
Nicht nur ideologisch, auch physisch blieb Kauka der Vergangenheit verhaftet. Seine Verbindungen zu alten Wehrmachts-Kameraden zahlten sich für ihn auch wirtschaftlich aus. Bereits Ende des Zweiten Weltkriegs hatte er Gerhard Wessel kennen gelernt, der später Direktor des Bundesnachrichtendienstes wurde und sich zu einem langjährigen Freund entwickelte. Dank Wessel, damals zuständig für die Spionageabwehr bei der Bundeswehr, erhielt Kauka Mitte der 1950er-Jahre Aufträge zu Ausbildungsfilmen für die Bundeswehr.
Auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs versuchte Hegen mit seinem Mosaik derweil unpolitisch Comics zu produzieren. Dabei musste er sich aber bei der inhaltlichen Ausrichtung immer wieder dem staatlichen Druck beugen – allerdings ohne sich dadurch ähnlicher Plattitüden zu bedienen wie Kauka. Dennoch war laut Friske das Mosaik stets ein Spiegel der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung in der DDR.
Während des Wettlaufs ins All der Supermächte in den 1950er-Jahren beispielsweise musste Hegen den Handlungsort seiner Comics in den Weltraum verlegen. Derartige thematische Eingriffe hatten Friske zufolge auch positive Seiten. Sie sorgten für eine enorme thematische Bandbreite und die Möglichkeit, auf aktuelle Ereignisse zu reagieren.
Für beide Comic-Schaffenden stellten die 1970er-Jahre eine Zäsur dar. 1973 verkaufte Kauka seinen Verlag, behielt aber die Rechte an seinen Figuren. Aus gesundheitlichen Gründen wanderte er Ende der 1970er-Jahre zunehmend in die USA ab – erst nur in den Wintermonaten, ab 1987 dauerhaft. 2000 verstarb er auf seiner Plantage im US-Bundesstaat Georgia.
Für viele Leser überraschend wurde die Digedags 1975 plötzlich eingestellt. Das unerklärte Ende sorgte jahrelang für zahlreiche Spekulationen. Heute ist bekannt, dass der Schritt aus einem Streit zwischen Hegen und dem Verlag erfolgte. Hegen lebte in der Folge bis zu seinem Tod 2014 zurückgezogen in Berlin. Beide Comic-Schaffenden erhielten das Bundesverdienstkreuz, Kauka 1998 und Hegen 2010.
Während Hegens Schaffen unter anderem durch eine Gedenktafel vor seinem Wohnhaus und die Benennung eines Digedagsplatz in Berlin-Karlshorst in der deutschen Öffentlichkeit, wenn auch gering, noch gegenwärtig bleibt, so ist die Person Kauka, wenngleich zu Lebzeiten die deutlich bekanntere Persönlichkeit, in Vergessenheit geraten.
Die nächste Veranstaltung im Deutschen Spionagemuseum am27.September 2022 beschäftigt sich mit der berühmten Spezialeinheit GSG 9. Martin Herzog bespricht seine Publikation zur Geschichte der GSG 9 mit ehemaligen Mitgliedern der Spezialeinheit.
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 22.09.2022