Nachdem sich Teil 1 der Geschichte der Geheimtinte mit den Methoden im Altertum auseinandersetzte, werfen wir nun einen Blick auf die späteren Jahrhunderte. Dabei kamen Geheimtinten in immer weiteren Personenkreisen zum Einsatz. Gleichzeitig wurden die Tinten und Verfahren zunehmend komplizierter.
Mit der starken Zunahme der Schriftlichkeit und damit auch des Briefverkehrs in Renaissance und Neuzeit nahm auch der Gebrauch von Geheimtinten deutlich zu. Um den Inhalt ihrer Kommunikation geheim zu halten, nutzten vor allem Diplomaten in dieser Zeit unsichtbare Tinten. Das war auch nötig, denn ein Großteil der damaligen Diplomaten spionierte nebenbei heimlich für den eigenen Herrscher.
Aber auch abseits der hohen Diplomatie kamen Geheimtinten zum Einsatz – speziell in Liebesbriefen. Gerade bei nicht-standesgemäßen Liebesbeziehungen war dies eine beliebte Methode, um eine Entdeckung und damit einen öffentlichen Skandal zu verhindern. Dieses kam so oft vor, dass ab dem 17. Jahrhundert der Ausdruck „sympathetische Tinte“ (von griech. Sympatheia = „Zuneigung“) für Geheimtinten aufkam. Zum Teil wird dieser auch heute noch genutzt.
Allerdings waren die einfachen Methoden, bei denen die unsichtbare Tinte bei Erwärmen ieder sichtbar wird, mittlerweile hinlänglich bekannt und damit unsicher. Man entwickelte daher immer kompliziertere Tinkturen und Verfahren. Da es sich dabei in der Regel um chemische statt um organische Tinten handelte, wurde lange Zeit der Ausdruck sympathetische Tinte mit chemischer Tinte gleichgesetzt. Tatsächlich aber ist der wahre Ursprung des Begriffs also viel romantischer…
Das Ziel bei der Herstellung einer guten Geheimtinte war es, eine Substanz zu erzeugen, die mit möglichst wenigen anderen Substanzen reagierte und so fast nicht zu entdecken war. Auch wenn einige der damaligen Inhaltsstoffe heute bizarr anmuten, ließen sie sich damals oft gut beschaffen.
Viele der eingesetzten Inhaltsstoffe fanden zum Beispiel im Handwerk, etwa bei der Ledergerbung, Stoffverarbeitung oder Lebensmittelverarbeitung Verwendung. Die ganze Vielzahl an damaligen Geheimtinten lässt sich an dieser Stelle nicht behandeln, daher nur einige Beispiele.
Bei einer Methode aus dem 17. Jahrhundert schrieb man mit Bleizuckerlösung, die Schrift ließ sich durch eine Schwefelleberlösung sichtbar machen. Bleizucker wurden damals (trotz seiner Giftigkeit) oft zum Süßen von Wein verwendet. Schwefelleber kam bei Beiz- und Färbverfahren sowie diversen Hautkrankheiten zum Einsatz.
Der Universalgelehrte Giambattista della Porta beschrieb eine interessante Verwendung von Eiern als geheime Informationsträger. Hierbei brachte man die Informationen mit einer Spezialtinte aus Alaun und Essig auf die Eierschale auf. Alaun wurde in Gerbereien und Färbereien verwendet, Essig vor allem in der Heilkunde.
Beim anschließenden Kochvorgang durchdrang die Tinte die Schale. Nach dem Kochen ließ sich die Nachricht von der Schale abwischen und das Ei unauffällig transportieren. Nach dem Pellen war die Nachricht auf dem Eiweiß ablesbar. Der Informationsträger lässt sich in diesem Fall nach dem Ablesen zudem deutlich appetitlicher durch Verzehr vernichten, als wenn man ein trockenes Papier kauen und schlucken müsste.
Leider funktioniert dieses Verfahren aber mit modernen Eiern nicht mehr. Diese werden zur längeren Haltbarmachung mit diversen chemischen Mitteln behandelt, welche die Eierschale praktisch versiegeln. Die Tinte aus Alaun und Essig ist daher nicht mehr in der Lage, heutige Eierschalen zu durchdringen.
Mehrere Publikationen aus dieser Zeit befassten sich mit der Kunst des unsichtbaren Schreibens. Zu nennen wäre vor allem ein Band zu Geheimschriften aus der mehrbändigen Reihe „Magia Naturalis“ des bereits erwähnten Giambattista della Porta. Auch im „Chymischen Wörterbuch“ von Pierre-Joseph Macquer (1718–1784) findet sich eine Abhandlung zu Geheimtinten.
Wie relevant das Thema für den erwähnten diplomatischen Bereich war, wird auch dadurch deutlich, dass der deutsche Staatsrechtslehrer Johann Ludwig Klüber (1762-1837) ein umfangreiches Kapitel seines Werkes „Kryptografik. Lehrbuch der Geheimschreibekunst“ den Geheimtinten widmet.
Aber unsichtbare Tinten tauchten nicht nur in wissenschaftlicher Literatur auf. Edgar Allen Poe beispielsweise beschrieb in seiner 1843 erschienenen Kurzgeschichte „Der Goldkäfer“ (engl. „The Gold-Bug“) ein Geheimschrift-Verfahren mit Kobaltchlorid.
Diese Methode hatte im 18. Jahrhundert der Arzt Jacob Waitz entdeckt. Zwar lässt sich Kobaltchlorid relativ leicht durch Erwärmen entdecken, hat aber einen entscheidenden Vorteil: Nach Erkalten des Dokuments wurde die Geheimschrift wieder unsichtbar. Poe hatte also die Tinten in seiner Geschichte nicht erfunden, sondern in Fachliteratur recherchiert.
Einige der genannten Geheimtinten kamen auch im 20. Jahrhundert noch zum Einsatz. Wie wir im dritten und letzten Teil der Serie zur Geschichte der Geheimtinten erfahren werden, kam selbst die gute alte Zitronenmethode nicht aus der Mode. Dazu gesellen sich einige neue Ansätze. Und trotz aller Digitalität wird auch im 21. Jahrhundert weiterhin an Geheimtinten geforscht.
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 27.01.2023