Verfassungsschutz-Aktion Feuerzauber: Am 25. Juli 1978 verursacht eine Explosion das “Celler Loch”

Eine Explosion an der Außenmauer der Justizvollzugsanstalt Celle sorgte 1978 bundesweit für Aufregung. War es ein RAF-Anschlag, um einen Terroristen zu befreien? Erst Jahre später kam heraus: Es handelte sich um eine verdeckte Aktion des niedersächsischen Verfassungsschutzes.

Aufwendig fingierter Ausbruchsversuch

Der vermeintliche Anschlag war effektvoll inszeniert. Am 25. Juli 1978 um 2:54 Uhr riss eine Explosion ein etwa 40 cm großes Loch in die Außenmauer der Celler Justizvollzugsanstalt. Kurz danach fand die Polizei auch ein bereitstehendes Fluchtfahrzeug. In dem Mercedes entdeckte man einen gefälschten Ausweis für einen besonderen Häftling der Justizvollzugsanstalt: Sigurd Debus. Als mutmaßliches Mitglied der linksterroristischen RAF war er 1975 zu 12 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Erhaltenes Mauerstück der JVA mit Sprengschaden: „Celler Loch“

Alles sah so aus, als ob Debus befreit werden sollte – nur schien der Häftling selbst davon nichts zu wissen. Debus schlief, als die Beamten seine Zelle stürmten. Aber bei einer Durchsuchung der Zelle fanden sich versteckte Ausbruchwerkzeuge.

Zusätzlich verwies das LKA Niedersachsen als Beweis der RAF-Beteiligung auf das sogenannte Dellwo-Papier. Dieses RAF-Strategiepapier listete unter anderem Anschläge auf äußere Bereiche von Justizvollzugsanstalten als mögliche Ziele auf. Auch eine Fahndung nach einem möglichen Tatverdächtigen namens Klaus-Dieter Loudil wurde bekannt gegeben.

Die Fahndung und weitere Ermittlungen verliefen jedoch im Sande. In der Öffentlichkeit wurde der Anschlag aufgrund des Schades an der JVA-Mauer als „Celler Loch“ bekannt und galt lange als weiterer RAF-Anschlag.

Späte Aufklärung durch Journalisten

Es sollte bis 1986 dauern, bevor ein Journalist der HAZ (Hannoverschen Allgemeinen Zeitung) die wahren Hintergründe der Tat aufdeckte. Wie sich zeigen sollte, war der Anschlag inszeniert: Es handelte sich um eine Operation des niedersächischen Verfassungsschutzes, ranghohe Politiker wie der damalige niedersächsische CDU-Ministerpräsident Ernst Albrecht waren eingeweiht.

Der niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht auf einem CDU-Wahlplakat, 1976

Ziel der als „Aktion Feuerzauber“ bezeichneten Operation war das Einschleusen von V-Männern in die Reihen der RAF. Sie diente zum Ausschmücken der Biografien und als Beweis für die linksterroristische Szene, dass die V-Männer auch zu drastischen Aktionen bereit waren. Für den Anschlag hatte der Verfassungsschutz zwei Kriminelle angeworben, Klaus-Dieter Loudil und Manfred Berger.

Viel Kritik, aber keine Konsequenzen

Die nach den Enthüllungen aufkommende öffentliche Kritik erwiderte Ministerpräsident Albrecht mit vermeintlichen durch die Aktion ermöglichten Ermittlungserfolgen gegen die linksterroristische Szene. Allerdings konnte ein für den Fall eingesetzter Untersuchungsausschuss diese Erfolgsmeldungen nicht bestätigen. Ein eingeleitetes Ermittlungsverfahren wurde aufgrund fehlender Anhaltspunkte für Straftaten eingestellt.

Anstatt erfolgreicher Terrorbekämpfung hat die Aktion „Feuerzauber“ durch die jahrelange Vertuschung dazu geführt, dass öffentliche Vertrauen in Politik und Verfassungsschutz zu beeinträchtigen. Nach den Enthüllungen entwickelte sich ein tiefes Misstrauen, ob es sich bei gemeldeten Terroranschlägen nicht wieder um eine Staatsaktion unter falscher Flagge handeln könnte.

Der Sprengstoffschaden wurde aus der Gefängnismauer herausgeschnitten und ist heute  vor dem Eingang der JVA aufgestellt.


Bilderrechte: Celler Loch: Hundehalter, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons | CDU-Wahlplakat: CDU, CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons

Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 25.07.2023