Wie lässt sich die Arbeit des deutschen Auslandsnachrichtendiensts BND kontrollieren, ohne ihn dabei in seinen Möglichkeiten einzuschränken? Diese Frage diskutierten am 17. Oktober 2023 Experten im Deutschen Spionagemuseum. Ein besonderes Augenmerk erhielt dabei der vor kurzem gegründete Unabhängige Kontrollrat.
Das Podium an diesem Abend im Deutschen Spionagemuseum war hochkarätig besetzt, allesamt ausgewiesene Kenner der deutschen Geheimdienstszene. Dazu gehörten der ehemalige BND-Präsident Gerhard Schindler, der Journalist Sven Felix Kellerhoff, Christian Mihr von Reporter ohne Grenzen und Christian Tombrink, Mitglied des Unabhängigen Kontrollrats. Helmut Müller-Enbergs führte als Moderator durch die Veranstaltung.
Das Thema des Abends war der 2021 neu geschaffene Unabhängige Kontrollrat (UKRat), eine wichtige Neuerung in der deutschen Geheimdienst-Welt. UKRat-Vertreter Christian Tombrink erläuterte die Ziele dieser neuen Bundesbehörde. Zuständig ist der UKRat für die objektive Rechtskontrolle der Auslandsfernmeldeaufklärung des BND. Zur Fernmeldeaufklärung gehört sowohl das klassische Auffangen von Funkwellen, um Kommunikation zu analysieren, als auch das Einhacken in digitale Endgeräte wie Computer oder Handys.
Ein wichtiger Aspekt ist laut Tombrink, dass nur die Rechtsmäßigkeit der Maßnahmen überprüft werde. Es gehe nicht um die Klärung von Fachfragen, welche Maßnahmen wie ausgeführt werden sollen. Die Grundlage der UKRat-Gründung bildete ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, nachdem eine solche Institution notwendig ist, um die Rechtsicherheit der BND-Fernmeldeaufklärung zu gewährleisten.
Die Arbeit des UKRat habe Tombrink zufolge das Ziel, die Legitimation des BND zu stärken, da nun eine öffentlich gewünschte Kontrolle spezieller Geheimdienstmaßnahmen offen nachgewiesen ist. Dies soll auch die Effizienz der BND-Arbeit erhöhen. Durch die neue Kontrollinstanz müsse der BND im Vorfeld bestimmter Aktivitäten Prioritäten klar definieren. Im Gegensatz zu früher, wo viele solcher Prozesse beim BND oft nebeneinander und nicht selten unnötig gedoppelt liefen, würde so die Struktur im Vorfeld und damit die Effizienz erhöht.
Nicht alle Gäste des Podiums waren von der UKRat als neuer Institution begeistert. Der ehemalige BND-Präsident Schindler merkte an, dass bei der Schaffung des UKRat seiner Meinung nach das Bundesverfassungsgericht juristisch übergriffig die Exekutive geregelt habe. Er meine, aus dem Beschluss herauszulesen, dass der BND als Feindbild dargestellt wurde.
Schindler schränkte aber ein, dass sich seine Kritik auf das Vorgehen des Bundesverfassungsgerichts beschränke. Mit der Arbeit des UKRat sei er bisher sehr zufrieden. Es sei gelungen, aus dem Wust aus Vorschriften ein funktionierendes, laufendes Verfahren zu entwickeln.
Der Journalist Sven Felix Kellerhof gab sich weniger nachgiebig. Er habe Bauchschmerzen dabei, dass in Deutschland alles verrechtlicht werden müsse. Auslandsgeheimdienste gebe es, um Gesetze zu brechen, mit dem Ziel, so an relevante Informationen zu gelangen. Die komplexe neue Rechtskontrolle des BND beschränke dessen Arbeit massiv. Christian Mihr von Reporter ohne Grenzen konterte auf diesen Einwurf Kellerhofs, dass Geheimdienste, gerade weil sie Recht brechen, umso mehr überwacht werden müssten.
Hoher Diskussionsbedarf zeigte sich bei der Problematik des Quellenschutzes. Journalisten arbeiten im Rahmen investigativer Recherchen mit Quellen, also Personen, die Insider-Wissen preisgeben. Rechtlich dürfen die Gespräche zwischen Journalisten und Quellen nicht überwacht werden. Durch das Abhören drohe unter Umständen die Gefahr, dass die Identität der Quelle gelüftet wird. Abhängig vom Umfeld der betroffenen Person kann dies lebensbedrohliche Folgen haben.
Wie aber ist es möglich, ein zufälliges Auffangen der Gespräche durch automatisierte Überwachung, beispielsweise durch Selektoren, zu verhindern? Zudem ist zu bedenken, dass Journalisten oft über wertvolles Insiderwissen verfügen. Kann ein Geheimdienst, etwa im Hinblick auf die Terrorabwehr, auf dieses Wissen verzichten, ohne das seine Arbeit zu stark eingeschränkt wird?
Im Hinblick auf automatisierte Überwachungsverfahren warf Mihr ein, man solle beim UKRat weitere Fachrichtungen wie Informatiker zur Kontrolle einsetzen, nicht nur Juristen. Mit dieser Forderung habe Reporter ohne Grenzen bereits eine Verfassungsbeschwerde gegen die jetzige Praxis eingelegt. Ziel sei es, das Grundrecht der Pressefreiheit weiter zu stärken.
Sven-Felix Kellerhof und Gerhard Schindler dagegen sehen die Aufgabe des Quellenschutzes als journalistische Pflicht beim zuständigen Redakteur. Schindler führte aus, dass er grundsätzlich nichts gegen Kontrolle habe – solange diese nicht Befugnisse beschneide. Das Problem sei jedoch, dass es sich bei „Journalist“ um keinen geschützten Begriff handelt. Jeder könne sich als solcher bezeichnen, auch Personen der terroristischen Szene. Wenn diese durch das Gesetz geschützt seien, beschränke dies die Arbeit des BND massiv.
Christian Tombrink zeigte Verständnis für beide Seiten. Einigen Personen gelte die Arbeit des BND als zu gefährlich und dieser werde immer zu wenig kontrolliert, den anderen ist der BND viel zu harmlos und mache zu wenig. Der UKRat stehe bei diesen Diskussionen oft zwischen den Fronten.
Auf den Einwurf seitens Christian Mihr wies Tombrink darauf hin, dass in den Reihen des UKRat neben der juristischen Expertise bereits andere Fachexpertisen vorhanden seien. Auch sei diesbezüglich ein weiterer Ausbau in Planung.
Grundsätzlich bewertete er die Rechtslage zum Quellenschutz als gut. Die zielgerichtete Erfassung von Journalisten ist unzulässig. Ausnahmen bilden jedoch Fälle, bei denen die betreffenden Journalisten an schweren Straftaten beteiligt sind oder wenn es um die Abwehr schwerwiegender Gefahren gegen die Bundesrepublik Deutschland gehe. Treffe dies nicht zu, müsse der BND aufgefangene Kommunikation von Journalisten löschen.
Es sei seitens des Unabhängigen Kontrollrats nicht das Ziel, weitere Verrechtlichungen einzuführen. Zu viel Kontrolle könne tatsächlich die Funktion des BND als Frühwarnsystem beeinträchtigen. Dem UKRat sei aber bewusst, dass er zwei Welten vereinen muss: Ausreichende Kontrolle, ohne den BND in seiner wichtigen Arbeit zu behindern.
Der UKRat sei eine Neuerung in der Geheimdienstwelt, die auch im Ausland Beachtung findet. Tatsächlich gäbe es Überlegungen anderer Länder, ähnliche Institutionen einzurichten, um einen rechtlichen Rahmen für die Tätigkeit der Nachrichtendienste zu schaffen. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob es gelingt, in dieser Hinsicht erfolgreich neue Impulse für die Geheimdienstarbeit zu schaffen.
Events im Deutschen Spionagemuseum
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 26.10.2023