Bekannte und klassische biometrische Maßnahmen sind vor allem das Erfassen von Fingerabdrücken, Gesichtsscans oder die Analyse von Geruchsspuren. Neben diesen bekannten Methoden hat sich das Portfolio der Biometrie in den letzten Jahren um einige Möglichkeiten erweitert.
Jede Zunge ist einzigartig in Form, Größe und Oberfläche. Die Schleimhaut des Zungenrückens weist zahlreiche unterschiedliche, winzige Erhebungen auf: Papillen, von denen einige für das Schmecken und andere für das Fühlen zuständig sind. Diese Papillen haben einen ähnlich individuellen Charakter wie die Papillarleisten bei einem Fingerabdruck.
Diese individuellen Merkmale lassen sich nicht nur einer bestimmten Person zuordnen, sie verraten zudem Details zu der Person. So ließen sich in einer englischen Studie anhand der Merkmale zum Teil auch Alter und Geschlecht des Zungeninhabers identifizieren.
Bisher steht allerdings nur fest, dass eine Identifizierung anhand des Zungenabdrucks möglich ist. Von einer markttauglichen Anwendung kann dagegen noch keine Rede sein. Die größten Probleme dürften wohl bei der praktischen Anwendbarkeit liegen: Wie erhält man einen aussagekräftigen Abdruck der Zunge einer Person? Im Gegensatz zu Fingerabdrücken, die wir im Alltag überall hinterlassen, kommt das bei Zungenabdrücken deutlich seltener vor.
Forscher der State University of New York haben ein biometrisches System entwickelt, das auf der Individualität des menschlichen Herzschlags basiert. Dabei lässt sich mithilfe eines Doppler-Radars die individuelle Herzfrequenzsignatur einer Person erfassen. Der Sensor funktioniert wie ein WLAN-Router: Er sendet ein Signal und empfängt das zurückgeworfene Signal, gekoppelt mit der Herzbewegung der anvisierten Person.
Das System habe einen hohen Sicherheitsvorteil gegenüber Gesichts- und Fingerabdrücken, so die Forscher. Hacker können letztere aus der Ferne leicht erfassen und missbrauchen, bei herzbasierter Biometrie sei das deutlich schwerer zu bewerkstelligen. Das System brauche nur acht Sekunden, um den Herzschlag einer Person zu erfassen. Es arbeitet sehr unauffällig, ist derzeit allerdings nur für Personen ausgelegt, die sich kaum bewegen, also zum Beispiel vor einem Computer sitzen. Sobald die Person den Arbeitsplatz verlässt, bemerkt das System dieses und sperrt den Computer.
Auch das US-Militär ist an Herzschlag-Biometrie interessiert. Dort arbeitet man mit einem System, dass die Herzbewegungen mittels Infrarot-Laser erfasst. Dieser funktioniert selbst durch leichte Bekleidung und auf eine Distanz von bis zu 200 Metern. Um eine Auswertung zu ermöglichen, muss die Person dazu allerdings 30 Sekunden ruhig stehen oder sitzen. Bei der Identifizierung und Überwachung von Personen im dynamischen öffentlichen Alltag stößt das System derzeit also noch an Grenzen.
Eine weitere ungewöhnliche Methode ist die Identifizierung einer Person anhand des Gesäßabdrucks. Vor einigen Jahren entwickelte ein japanisches Forschungsteam einen biometrischen Sitzbezug für Autositze, der genau das kann. In den Tests gelang das immerhin mit einer Genauigkeit von 98 %.
Der Stoff des Sitzbezugs verfügt dazu über 360 Sensoren, die ein individuelles Profil des Hinterns des Fahrers erstellen. Maßgebliche Faktoren sind Größe, Form, Gewichtsverteilung und Druckpunkte. Das Ziel dieser Entwicklung war es, dass der Computer des Autos die Daten speichert. Anhand des Gesäßprofils wird dann ein individueller Schlüssel erstellte, mit dem sich das Auto starten lässt.
Auf den ersten Blick erscheint es zwar unwahrscheinlich, dass Geheimdienste damit beginnen, Gesäßdaten abzugleichen. Allerdings könnte das System in bestimmten Situationen doch von Wert sein. Immerhin hatte bereits die Staatssicherheit der DDR mit präparierten Stühlen biometrische Daten gesammelt. Auch wenn es damals um Gerüche ging, das Vorgehen wäre im Prinzip übertragbar.
Multibiometrische Methoden verringern Fehlanalysen
Beim generellen Blick auf die Entwicklung der biometrischen Systeme in den letzten Jahren zeigt sich, dass vor allem multibiometrische Methoden auf dem Vormarsch sind. Dabei werden nicht nur ein einzelnes biometrisches Merkmal zur Identifizierung genutzt, wie es bei traditionellen unibiometrischen Systemen der Fall ist, sondern mehrere biometrische Faktoren kombiniert. Auf diese Weise lassen sich verschiedene Fehlerquellen, mit denen unibiometrische Systeme immer wieder zu kämpfen haben, ausschließen.
Auch wenn einige der aufgezeigten Methoden derzeit nur bedingt alltagstauglich sind, könnten sie in Kombination mit anderen, bewährten Verfahren durchaus an Wert gewinnen.
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 05.07.2024