Einblicke in die jüngere deutsche Geheimdienst-Geschichte: Mit Fehleinschätzungen und voreiligen Aussagen blamierte sich Kanzleramtschef Roland Pofalla im Rahmen der NSA-Affäre 2013 in der Öffentlichkeit. Sein Verhalten wurde zum Sinnbild des Missmanagements der Spionageaffäre durch die Bundesregierung und zum Internet-Phänomen.
Anfang Juni 2013 kam es zum Supergau für die amerikanischen Geheimdienste. Der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden veröffentlichte geheime NSA-Dokumente mit Details zu globalen Überwachungsprogrammen. Wie sich herausstellte, betrafen sich diese Spionageaktionen auch auf befreundete Staaten, unter anderem Deutschland. Außerdem agierten zahlreiche Geheimdienste anderer Länder als Zulieferer für die US-Dienste.
Die Entrüstung der Öffentlichkeit resultierte vor allem aus der Tatsache, dass die gesammelten Informationen größtenteils verdachtsunabhängig gesammelt und auf Vorrat gespeichert wurden. Dadurch sahen viele Menschen ihre persönliche Privatsphäre in Gefahr, es entwickelte sich die Diskussion, ob es eine umfassende staatliche Überwachung gebe.
Trotz des großen öffentlichen Interesses und der hohen Berichterstattung in den Medien hüllten sich die verantwortlichen Stellen lange in Schweigen. Die Kritik an diesem Verhalten richtete sich zunehmend gegen Kanzleramtschef Roland Pofalla. Immerhin sitzt im Bundeskanzleramt die Fachaufsicht über den deutschen Auslandsnachrichtendienst BND. Auch die Koordination zwischen den drei deutschen Nachrichtendiensten BND, BfV und MAD wird hier geregelt.
Trotz der klaren Zuständigkeit sollte es bis zu den Anhörungen vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium zur NSA-Spionageaffäre am 12. August 2013 dauern, bevor Pofalla sich umfassend äußerte. Dort erklärte der Kanzleramtschef, dass die Spionage-Vorwürfe in Deutschland aufgrund von Aussagen der USA und Großbritanniens „vom Tisch“ seien. Es habe dementsprechend „keine millionenfache Grundrechtsverletzung“ in Deutschland gegeben.
Zudem erklärte Pofalla, dass die USA ein No-Spy-Abkommen angeboten hätten. Dies sei doch ein ausreichender Beleg dafür, dass diese Aussagen der Wahrheit entsprächen. Mit dieser öffentlichen Erklärung wollte die Bundesregierung die Diskussion um den wachsenden Skandal beenden, doch aus den Medien und im Internet gab es stattdessen Häme. Die Erklärung wurde als Versuch gesehen, die Missstände unter den Teppich zu kehren und den Bürger in trügerischer Sicherheit zu wiegen.
In zahlreichen Tweets, Satireshows, Artikeln und auf Demonstrationsplakaten wurden die Äußerungen humoristisch aufgegriffen. Unter anderem entstand der Blog „Pofalla beendet Dinge“ auf Tumblr und ähnliche Einträge fanden sich unter dem Hashtag #pofallabeendetdinge auf Twitter. Unter diesem Slogan wurde nun fast alles beendet: schlechtes Wetter, die Krise im Nahen Osten, der Klimawandel, die Unfähigkeit der deutschen Bahn, die Unendlichkeit und vieles mehr. Auch bei Demonstrationen für Datenschutz und gegen staatliche Überwachung wurde Pofalla auf Plakaten und Fotomontagen persifliert. Statt der Spionageaffäre ein Ende zu setzen, erhöhten Pofallas Äußerungen und die Reaktionen darauf ihre Bekanntheit.
Auch wenn eine massenweise Überwachung deutscher Staatsbürger bis heute nicht bewiesen ist, so zeigten die Ergebnisse des NSA-Untersuchungsausschusses doch, dass man 2013 keineswegs davon sprechen konnte, dass die Spionagewürfe „vom Tisch“ seien. Es wurde aufgedeckt, dass der BND amerikanischen Geheimdiensten bei der Überwachung von Personen half. Eigentlich sollten Deutsche von dieser Überwachung ausgenommen werden, weswegen man die abgehörte Kommunikation entsprechend filterte. Doch wie sich herausstellte, waren diese Filter lückenhaft und der Spionageschutz daher unzureichend.
2015 ergaben journalistische Recherchen, dass es niemals ernsthafte Ambitionen der USA gegeben hatte, ein No-Spy-Abkommen mit Deutschland einzugehen. Im gleichen Jahr musste sich Pofalla zu seinen damaligen Aussagen vor dem NSA-Untersuchungsausschuss äußern. Statt seine Fehleinschätzung zuzugeben, beschuldigte er die Medien der überspitzten Darstellung und bewussten Fehlinterpretation seiner Erklärungen. Kritik an seiner damaligen Rolle wollte Pofalla nicht gelten lassen.
Auch auf den Vorwurf, er habe versucht, die CDU im anstehenden Wahlkampf 2013 gut aussehen zu lassen und daher ein geplantes No-Spy-Abkommen suggeriert, reagierte Pofalla mit Spitzfindigkeiten. Er habe gesagt, die Geheimdienste sprächen darüber, aber nie von den Regierungen gesprochen, die für ein solches Abkommen eigentlich zuständig wären. Weshalb er ein nie ernsthaft angestrebtes Abkommen dann in die Erklärung einfließen ließ, blieb offen.
Auch dieser letzte politische Auftritt Pofallas sorgte aufgrund seines Mangels an Selbstkritik und des teils arroganten Auftretens für öffentliche Kritik und Schlagzeilen á la „Pofalla erklärt Vorwürfe gegen sich für beendet“.
Bildmaterial & Medien:
Portrait Pofalla: CDU/slomifoto.de, CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons | Edward Snowden: Edward Snowden, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons | YouTube-Video: Rumfunk.Revival | Demonstration: Tobias M. Eckrich, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 12.08.2024