Seit Jahrzehnten spielt die Defense Intelligence Agency eine wichtige Rolle in der amerikanischen Spionagewelt. Trotzdem ist sie im Vergleich zu anderen US-Geheimdiensten relativ unbekannt. Anlass genug, sich mit den wesentlichen Fakten dieses Geheimdienstes vertraut zu machen.
Gegründet wurde die Defense Intelligence Agency 1961. Federführend für die Gründung war US-Verteidigungsminister Robert McNamara, da die DIA als Militärnachrichtendienst dem US-Verteidigungsministerium unterstellt ist. Der Geheimdienst hat seinen Hauptsitz in Washington, D.C., auf dem Militärstützpunkt Anacostia-Bolling. Von den geschätzten 17.000 Mitarbeitern sind zwei Drittel Zivilisten und etwa die Hälfte arbeitet an den mehr als 141 ausländischen Standorten der DIA.
Auch wenn die DIA deutlich weniger bekannt ist als bekannt als die CIA oder die NSA, so spielte sie sowohl im Kalten Krieg als auch in der Gegenwart eine relevante Rolle bei der weltweiten amerikanischen Spionagetätigkeit. Vor allem nach den Terrorattacken am 1. September 2001 wurde der Geheimdienst in Hinblick auf Größe und Leistungsumfang deutlich ausgebaut.
Das Aufgabenfeld der DIA ist sehr breit aufgestellt. Der Geheimdienst fungiert als Dachorganisation der Geheimdienste des einzelnen Teilstreitkräfte US-Militärs, also des Heeres, der Marine, der Luftwaffe und der Eliteeinheit der Marine Corps. Alle dort gesammelten Informationen landen bei der DIA.
Außerdem hat die DIA eigene operative Abteilungen und Agenten. Dies sind vor allem die Geheimagenten des Defense Clandestine Service und die an den US-Botschaften tätigen Militärattachés, denn DIA ist zuständig für die militärisch-diplomatischen Beziehungen der USA im Ausland. Mit alle diesen Ressourcen verwertet die DIA militärbezogene ausländische politische, wirtschaftliche, industrielle sowie geografische Informationen.
Einem besonderen Spezialbereich der Spionage widmet sich die DIA, indem sie alle MASINT-Programme der USA koordiniert. Diese spezielle Methode der Informationsgewinnung bezieht sich auf die Auswertung der Emissionen der Aufklärungsobjekte (MASINT = measurement and signature intelligence). Darunter fallen zum Beispiel das Erfassen von nuklearen Spuren, ABC-Kampfstoffen, Hochfrequenzen oder Infrarotstrahlung.
Seit ihrer Gründung war die Defence Intelligence Agency an allen militärischen Konflikten der USA beteiligt. Angefangen von der Kuba-Krise oder dem Kapern der USS Pueblo durch Nord-Korea über die Golfkriege der 1990er-Jahre bis hin zu aktuellen Konfliktherden.
Wie die meisten Militärnachrichtendienste agierte die DIA in der Regel abseits der öffentlichen Wahrnehmung. Eine größere Bekanntheit erhielt der Geheimdienst 1983, als es ihm gelang, den Funkverkehr sowjetischer Abfangjäger während dem Abschuss des Korean-Air-Lines-Flug 007 abzuhören. Das zivile Flugzeug war unbeabsichtigt vom Kurs abgekommen und in den sowjetischen Luftraum eingedrungen, beim Abschuss staben alle Personen im Flugzeug.
Die Sowjetunion versuchte zuerst, den Abschuss zu verheimlichen. Mit Hilfe des von der DIA abgehörten Funkverkehrs war die USA in der Lage, den wahren Ablauf der Ereignisse bekannt zu machen. Die US-Regierung nutzte dies zu einer Informationskampagne gegen die Sowjetunion und warf ihr Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Die Episode ist ein bekanntes Beipspiel für den Einsatz von Propaganda, an dem Geheimdienste beteiligt waren.
In die Kritik kam die DIA 2008, als sie laut einem Bericht des US-Senats Listen mit speziellen Verhörtechniken erstellen ließ und diese vermutlich auch bei anwandte. Angeblich sei der Geheimdienst vor allem an aggressiven Methoden interessiert gewesen. Dazu zählen laut den Vorwürfen unter anderem Drogeneinsatz, Demütigungen durch weibliche Vernehmer, das erzwungene Betrachten von Schwulenpornos und Schlafentzug.
Der Schlafentzug wurde unter anderem erreicht durch den Einsatz von stundenlangen Stroboskoplichtern und lauter Musik. 2014 schickte die Band Skinny Puppy der DIA eine symbolische Rechnung über 666.000 US-Dollar, da hierzu auch ihre Musik verwendet worden war. Die Vorwürfe wurden durch die Aussagen von FBI-Mitarbeitern verstärkt. In welchem Umfang und wie lange derartige Maßnahmen angewendet wurden, ließ sich nicht abschließend klären.
Auch in Deutschland war die DIA (vermeintlich) aktiv: Laut einem Zeitungsbericht des STERN aus dem Jahr 2011 beobachteten Mitarbeiter des BfV und des DIA 2007 die Ermordung der Polizistin Michèle Kiesewetter durch Mitglieder der rechtextremen NSU. Die Beobachtung fand angeblich während der Observation der „Sauerland“-Gruppe statt, einer islamistischen Organisation, die Angriffe auf US-Militäreinrichtungen in Deutschland plante.
Aus Geheimschutzgründen meldeten beide Geheimdienste den Vorfall nicht. Während der BfV den Bericht dementierte, verweigerte die DIA die Stellungnahme. Auch hier steht eine finale Klärung aus – und ist angesichts der verdeckten Arbeitsweise der DIA nach zu urteilen in Bälde nicht zu erwarten.
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 01.10.2024