Der ehemalige Navajo-Code-Talker John Kinsel Sr. ist vergangenes Wochenende im Alter von 107 Jahren verstorben. Die Navajo-Code-Talker verschlüsselten im Zweiten Weltkrieg Funksprüche für das US-Militär unter Nutzung ihrer Stammessprache. Der Navajo-Code erwies sich als einer der sichersten Verschlüsselungstaktiken des Kriegs und bildet ein außergewöhnliches Kapitel der Spionagegeschichte.
Das US-Militär setzte bereits im Ersten Weltkrieg erfolgreich amerikanische Ureinwohner als Code-Talker im Kampf gegen die Deutschen ein. Während sich die Zahl der indigenen Funker im Ersten Weltkrieg lediglich auf einige Dutzend belief, kamen im Zweiten Weltkrieg hunderte amerikanische Ureinwohner zum Einsatz. Neben den Navajo als größter Gruppe waren dies Mitglieder von insgesamt 36 weiteren Stämmen wie den Choctaw, den Lakota oder den Comanchen.
Die Navajo-Code-Talker dienten vor allem im Pazifikkrieg der USA gegen Japan in den Jahren 1942-45. Der Navajo-Code wurde für das US Miliär von einer Gruppe von 29 Navajos entwickelt. Linguistisch ist die Navajo-Sprache allein schon sehr komplex und gilt als ungemein schwierig zu lernen. Die Code-Talker veränderten zudem viele Wortbedeutungen und erfanden neue Wortkombinationen, da sich viele militärische Begriffe nicht direkt aus den Sprachen der Ureinwohner übersetzen ließen.
Am Ende kam ein Code heraus, den auch jemand, der Navajo sprach, nicht ohne Schulung verstehen konnte. Es wurde ein Codebuch entwickelt, um designierten Code-Talkern die unterschiedlichen Wörter und Konzepte beizubringen. Das Codebuch diente nur zu Unterrichtszwecken und durfte nicht mit in den Einsatz genommen werden. Die Code-Talker lernten alle Variationen auswendig und übten diese unter Stressbedingungen.
Es gelang den japanischen Kryptologen nie, den Navajo-Code zu knacken. Die Entschlüsselung der Funksprüche der Navajo-Code-Talker war für die Gegner auch deshalb so schwierig, weil die Sprache bis zu diesem zeitpunkt nur mündlich überliefert worden war und nicht schriftlich. Es gab also kaum Nachschlagwerke, aus denen man Informationen über die Sprache erlangen konnte.
Der nun verstorbene John Kinsel Sr. wurde 1917 geboren und war seit 1942 für die US-Marines im Einsatz. Er nahm als Mitglied der 3. US-Marineinfanteriedivision unter anderem an der Schlacht um die Insel Iwojima teil, eine der bekanntesten Schlachten des Zweiten Weltkriegs. Diese Kämpfe waren für das US Marine Corps durch die von den Japanern angewandte Guerilla-Taktik extrem verlustreich.
Im Deutschen Spionagemuseum zeigen wir ein exklusives Zeitzeugen-Interview mit einem weiteren ehemaligen Navajo-Code-Talker: Bahe Ketchum. Er diente von 1944 bis 1946 in der 6. Marinedivision und kämpfte in den Schlachten von Guadalcanal, Okinawa und Tsingtao. Ketchum starb 2015 im Alter von 96 Jahren. Aktuell sind nur noch zwei ehemalige Navajo-Code-Talker am Leben: Peter McDonald und Thomas H. Begay.
Wie viele geheimdienstlichen Aktionen blieb auch das Wirken der Navajo-Code-Talker einer breiten Öffentlichkeit lange verborgen. Bis 1968 unterlag der Einsatz dieser Spezialtruppe der Geheimhaltung. Seit 1982 gilt in den USA der 14. August als Navajo-Code-Talkers-Day, doch erst im Jahr 2000 zeichnete die US-Regierung die Code-Talker für ihre Verdienste aus und gestand ihnen den Veteranen-Status zu. Seit 2013 sind die Code-Talker Teil der Cryptologic Hall of Honor des US-Geheimdiensts NSA.
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 22.10.2024