Die Staatssicherheit der DDR agierte vor allem in West- und Ostdeutschland, aber auch auf internationaler Ebene. Ein oft wenig beachtetes Kapitel der internationalen Stasi-Aktivitäten fand im afrikanischen Sansibar statt. Ob es ein Erfolg war, erklärten Experten im Deutschen Spionagemuseum.
Die internationalen Aktivitäten des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (MfS) erfolgten unter Federführung der Hauptverwaltung A (HV A), der Abteilung für Auslandsspionage. Eingehend mit den HV A-Tätigkeiten in Afrika beschäftigt haben sich Anna Warda vom Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung und der Rechtsanwalt i.R. Dr. Thomas Rieger. Beide gaben am 10. Dezember 2024 im Deutschen Spionagemuseum Einblicke in ihre umfangreichen Recherchen.
Laut Anna Warda war das MfS in mindestens 25 Ländern des globalen Südens aktiv. Das Augenmerk lag vor allem auf Regionen, in denen ein Machtvakuum existierte und welches so die Chance bot, vermehrten Einfluss auf die politische und gesellschaftliche Entwicklung der Länder zu nehmen. Ziel war es, den Systemkampf in der Peripherie zu gewinnen und die betreffenden Länder an die DDR zu binden.
Die Aktivitäten der MfS-Agenten umfassten den Aufbau von Sicherheitsorganen und die Kooperation mit den örtlichen Sicherheitsdiensten, sowie klassische Spionageaufgaben wie Informationsbeschaffung oder Überwachung von Konterrevolutionären und der Bevölkerung. Auch die Stärkung der wirtschaftlichen Beziehung zur DDR war zum Teil Aufgabe des örtlichen MfS-Teams.
Sansibar spielte bei den internationalen MfS-Aktivitäten eine besondere Rolle, denn es war die erste Mission der HV A in diesem Sinne. Ausgangspunkt war die dortige Revolution im Jahr 1964, welche zur Abschaffung des Sultanats und der Errichtung einer Republik führte. Rasch bemühte sich die junge Republik Sansibar um internationale Anerkennung. Die DDR war das erste Land, das diesen Bemühungen nachkam und auf diese Weise die Grundlage für eine enge Zusammenarbeit der beiden Länder legte.
Welcher Bedeutung die Staatssicherheit den Operationen in Sansibar beimaß, zeigte sich in der Auswahl des dort eingesetzten Personals, wie Rieger ausführte. So machte sich HV A-Leiter Markus Wolf persönlich vor Ort ein Bild der Lage. Als Geheimdienstberater agierte zeitweise Heinz Geyer, der später zum Stabschef der HV A aufstieg. Die Führungsebene in Sansibar war also hochkarätig besetzt, wie viele MfS-Mitarbeiter insgesamt in Sansibar aktiv waren, ist leider unklar.
Bezüglich des Ergebnisses der Arbeit des MfS in Sansibar waren sich beide Experten einig: als Erfolg lassen sich die Stasi-Aktivitäten in Sansibar nicht bezeichnen. Warda sprach klar von einem intelligence failure, also einem Geheimdienstversagen. Die meisten der gesteckten Ziele konnten kaum zufriedenstellend erreicht werden.
Das hatte sicherlich auch mit den enormen Sprachbarrieren zu tun. Kaum ein MfS-Mitarbeiter verfügte über ausreichende Englisch-Kenntnisse, von Suaheli ganz zu schweigen. Für das gesamte in Sansibar eingesetzte Personal der DDR gab es einen einzigen Dolmetscher des DDR-Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten – und auch der hatte seine Sprachkenntnisse lediglich aus sowjetischen Sprachschulen bezogen.
Als bauliche Zeugen jener Zeit finden sich in der Hauptstadt Sansibars bis heute auch Reste von DDR-Plattenbauten. Wegen Materialmangel und falschen klimatischen Bedingungen wurde das Prestigeprojekt nie fertiggestellt. Nun steht es dort als steingewordene Metapher für das Scheitern des Engagements der DDR und des MfS.
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 19.12.2024