Ein im Dreh befindlicher Dokumentarfilm verspricht neue Einblicke zur umfangreichen Abhöraktion gegen deutsche Soldaten in britischer Kriegsgefangenschaft. Der Film mit dem Namen „Recording Evil“ basiert auf freigegebenen Dokumenten des britischen Geheimdienstes.
Von den etwa eine Million deutschen Kriegsgefangenen in amerikanischer und britischer Kriegsgefangenschaft kamen über 13.000 in spezielle Abhörlager. Die dortigen Zellen waren mit Mikrofonen ausgestattet, die jedes Wort der Gespräche der Gefangenen aufzeichneten. Das Ziel der Aktion war es, Informationen über Waffentechnik, militärische Strukturen und ähnliches zu sammeln.
Dabei erfassten die Mikrofone auch private Details über die Selbstwahrnehmung der Soldaten. Für heutige Historiker ein seltener Schatz, der außergewöhnliche Einblicke in die Mentalität der Soldaten gibt. Im vermeintlich privaten Gespräch mit anderen Soldaten tauschten sich die Soldaten über ganz andere Sachen aus als in Feldpostbriefen an die Familie und Freunde daheim.
Das Personal, das die Gespräche abhörte und transkribierte, wurde vom britischen Geheimdienst speziell ausgewählt und ausgebildet. Diese als Secret Listeners (dt. geheime Zuhörer) bezeichneten Personen waren oft deutsche Emigranten. Sie waren vor den Nazis aus Deutschland geflohen und verfügten über die notwendigen Sprachkenntnisse.
Der Dokumentarfilm wurde vom israelischen öffentlich-rechtlichen Sender KAN 11 in Auftrag gegeben, um den 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs zu begehen. „Recording Evil“ nutzt dabei zehntausende freigegebene britische Geheimdienstdokumente.
Die Aufarbeitung der umfangreichen Abhörarchive deutscher Kriegsgefangener begann erst Anfang des 21. Jahrhunderts. Den Ausgangspunkt bildete ein Zufallsfund durch den deutschen Militärhistoriker Sönke Neitzel. Bei Recherchen zum U-Boot-Krieg im Atlantik war er auf die Protokolle der Tonaufzeichnungen von deutschen Soldaten in britischer und amerikanischer Gefangenschaft gestoßen. Insgesamt wertete er zusammen mit seinem Ko-Autoren Harald Welzer 150.000 Seiten aus.
Die Ergebnisse flossen in mehrere Publikationen wie Soldaten – Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben. Sie boten teils erschütternde Einblicke in die Mentalitäten und Gedankenwelten deutscher Soldaten. Vor allem die Nüchternheit, mit denen Beispiele entgrenzter Gewalt – insbesondere solche gegen Zivilisten – unter den Häftlingen ausgetauscht wurden, sorgte damals für Aufsehen.
Aufgrund der Aufarbeitung der Geschichte dieser außergewöhnlichen Abhöraktion finden die Dreharbeiten zur neuen Dokumentation derzeit unter anderem auch in Deutschland statt. Besonders spannend dürften aber jene Aufnahmen in Großbritannien sein, die Einrichtungen und Archive zeigen, in denen die Originalaufnahmen der Häftlinge gemacht und gelagert wurden. Im Mai ist die Premiere im israelischen Fernsehen geplant, hoffentlich ist die Dokumentation dann auch bald in Mediatheken verfügbar.
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 31.01.2025