Eine neue Publikation beleuchtet die Rolle österreichischer Emigrantinnen und Emigranten in 1930/40er-Jahren für die Geschichte der Spionage im Kalten Krieg. Der Spionage-Hotspot Wien spielte dabei eine zentrale Rolle. Am 20. Februar 2025 stellte der Autor Thomas Riegler sein Werk im Deutschen Spionagemuseum vor.
Der Historiker Thomas Riegler setzte sich bereits in mehreren Publikationen mit den Themen Spionage, Terrorismus und Militärgeschichte auseinander. Seine neueste Publikation Der Wiener Spionagezirkel. Kim Philby, österreichische Emigranten und der sowjetische Geheimdienst beschäftigt sich mit Agentenbiografien, deren Spionagekarriere in Wien begann und deren Wirken für den sowjetischen Geheimdienst den Kalten Krieg maßgeblich beeinflusste.
Im Gespräch mit der Literaturwissenschaftlerin Sabine Kebir erläuterte Riegler, dass ihm die Beschäftigung mit der Materie äußerst leichtgefallen sei. Er könne sich kaum ein spannenderes Thema vorstellen als Spionage. Mit der Darstellung der Wiener Spionagebiografien möchte er Einblicke in Aspekte der Spionagegeschichte geben, die so detailliert bisher kaum geschildert wurden, aber dennoch hohe Relevanz besitzen.
Dreh- und Angelpunkt seiner Schilderungen ist das Wien in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, denn hier beginnen gleich mehrere weltbewegende Spionagekarrieren. Prominentestes Beispiel in Rieglers Buch ist Cambridge Five-Mitglied Kim Philby.
Dieser wurde in den 1930er-Jahren vom Agentenführer Arnold Deutsch für den sowjetischen Geheimdienst rekrutiert und machte später als Doppelagent Karriere beim britischen MI6. Insgesamt 20 Agenten rekrutierte Deutsch in dieser Zeit, Riegler nennt ihn einen der bedeutendsten Agentenführer des 20. Jahrhunderts.
Weitere Biografien, auf die Riegler in seinem Buch eingeht, sind unter anderem Alice „Litzi“ Friedmann, die überhaupt erst den Kontakt zwischen Philby und Deutsch herstellt, Peter Smolka, der im britischen Informationsministerium tätig war, sowie Engelbert Broda, der Zugang zu Wissen über das angloamerikanische Atomwaffenprojekt hatte.
Broda war laut Riegler neben Philby der wichtigste der geschilderten Agenten. Die Details zum Atomwaffenprogramm, welches er an die Sowjetunion weiterleitete, erwiesen sich als ein zentraler Baustein dafür, dass die Sowjetunion schließlich in der Lage war, eigene Atomwaffen herzustellen.
Auch wenn das Buch im Titel von einem „Spionagezirkel” spricht, stellte Riegler klar, dass es einen solchen formell nie gab. Die Personen kannten aber untereinander, arbeiten einander zu und schützen sich auch später bei Verhören. Als ein gemeinschaftlicher agierender Spionagezirkel oder Spionagering sahen sie sich jedoch keineswegs. Das lag auch daran, dass sich die meisten Spionageaktivitäten erst später und fernab von Wien entfalteten.
Neben der prägenden Wiener Anfangstagen dieser Spionage geht Riegler in seinem Buch auf die weiteren Lebenswege der Agenten ein. Dabei wird deutlich: Auch wenn die Spionageaktivitäten erfolgreich waren, so enden doch viele der Biografien als Enttäuschung.
Beispielhaft schilderte Riegler das Schicksal von Kim Philby, dem es zwar gelang, der britischen Strafverfolgung zu entkommen und nach Moskau zu fliehen, dem dort aber immer misstraut wurde. Generell seien die Informationen von den Cambridge Five so reichlich geflossen, dass der sowjetische Geheimdienst fürchtete, es handele sich um eine Täuschungsaktion des britischen Geheimdienstes. Aufgrund dieses Misstrauens wurde der Wert Informationen nie voll genutzt und die Wirkung der Cambridge Five stark eingeschränkt, so Riegler. Auch im Moskauer Exil wurde daher Top-Agent Philby nicht hofiert, sondern stand unter strengster Beobachtung.
Rieglers Schilderungen an diesem Abend ließen die Faszination des Autors für das Thema und seine Protagonisten erkennen. Das zeigt sich auch bei der Publikation, die mit einem umfangreichen Fußnotenapparat versehen zwar durchaus wissenschaftlich daherkommt, sich aber dabei spannend und unterhaltsam liest.
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 13.03.2025