Die Ereignisse rund um die Watergate-Affäre in den Jahren 1973/74 gehören zu den schwerwiegendsten Politik-Skandalen des 20. Jahrhunderts. Dabei spielten auch geheimdienstliche Methoden eine Rolle, wie eine Enthüllung vom 13. Juli 1973 zeigte. Die Tonaufnahmen von versteckter Abhörtechnik im Weißen Hauses bewiesen, wie stark US-Präsident Nixon seine Vollmachten missbraucht hatte, um gegen politische Gegner vorzugehen. Sie sorgten für landesweites Aufsehen und entfachten eine konstitutionelle Krise.
Die entscheidende Person sowohl bei der Installation als auch bei der Aufdeckung der geheimen Abhöranlage war Alexander Butterfield, der seit 1969 als Assistent im Weißen Haus arbeitete. Im Februar 1971 erhielt Butterfield die Aufgabe, ein stimmaktiviertes Abhörsystem in den Büroräumen und den Telefonen des Weißen Hauses einbauen zu lassen.
In Zusammenarbeit mit Experten des Secret Service installierte Butterfield im Oval Office fünf Mikrofone in Nixons Schreibtisch, zwei in Lampen und eins im Kaminsims. Auch der Konferenzsaal wurde mit zwei Mikrofonen ausgestattet, ebenso wie diverse Telefonleitungen. Im April 1971 wurde zudem das auswärtige private Büro des Präsidenten und der präsidiale Landsitz Camp David verwanzt.
Neben dem Präsidenten, Butterfield und den beteiligten Technikern des Secret Service wussten nur zwei weitere Mitarbeiter im Weißen Haus von der streng geheimen Spionagetechnik und den im Keller verstauten Aufnahmebändern. Nixon begründete die Maßnahmen damit, dass es so leichter falle, eine genaue Aufzeichnung vergangener Besprechung zu erstellen.
Wie sich im Laufe der Untersuchungen zur Watergate-Affäre herausstellen sollte, scheint die installierte Technik nie wirklich überprüft worden zu sein. Die Aufnahmen wurden auf bis zu neun Sony TC-800B-Geräten, die mit einem sehr dünnen (0,5 mm) Tonband bestückt waren, mit einer langsamen Geschwindigkeit von 23 mm pro Sekunde aufgenommen. Die Tonqualität war von erstaunlich schlechter Qualität, sodass sich oft weder genau sagen ließ, wer darauf zu hören war, noch was im Detail besprochen wurde.
Nixon war nicht der erste Präsident, der Gespräche heimlich aufzeichnen ließ. Als Inspiration diente ihm eine Abhöreinrichtung seines Amtsvorgängers Lyndon B. Johnson, die er bei seinem Einzug im Weißen Haus 1969 hatte entfernen lassen. Der erste Präsident, von dem die Installation einer solchen Abhörtechnik bekannt ist, war Franklin D. Roosevelt. Dieser hatte ein Mikrofon in der Schreibtischlampe und ein weiteres im Telefon des Präsidenten einbauen lassen.
Aber auch Harry S. Truman, Dwight D. Eisenhower und John F. Kennedy nutzen Abhörtechnik in ihren Amtsräumen. Bei Kennedy befanden sich die Mikrofone im Schreibtisch, im Sofatisch und im Kabinettssaal. Die Aufnahmen startete er jeweils selbst mit versteckten Druckknöpfen. Während von den erstgenannten Präsidenten lediglich wenige Stunden an Tonaufnahmen bekannt sind, umfassen die Kennedy-Tonbänder immerhin 248 Stunden Gesprächs-Aufzeichnungen vor Ort und 17 Stunden Telefongespräche. Doch die Menge der Nixon-Tonbänder sollten diese Zahlen weit in den Schatten stellen.
Bei der Routinebefragung des Untersuchungsausschusses zur Watergate-Affäre wurde Butterfield konkret nach vorhandenen Tonaufzeichnungen aus dem Weißen Haus befragt und gab die Existenz der bisher geheimen Anlage am 13. Juli 1973 zu. Er selbst war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Angestellter des Weißen Hauses, sondern bei der US-Luftfahrbehörde FAA tätig. Vor dem Ausschuss sagte Butterfield wörtlich „Alles wurde aufgezeichnet … solange der Präsident anwesend war. Es gab nicht einmal einen Hinweis, dass etwas nicht aufgenommen werden sollte“. Insgesamt umfassten die Tonaufnahmen etwa 3000 Stunden politische und vertrauliche Gespräche.
Alle Anwesenden des Ausschusses erkannten umgehend den Wert von Butterfields Enthüllungen für den Prozess. Die offizielle Aussage Butterfields am 16. Juni wurde live im Fernsehen übertragen und sorgte für landesweites Aufsehen. Kurz nach der Ausstrahlung begannen Techniker damit, die Abhörsysteme zu entfernen. Die Ermittler forderten umgehend eine Herausgabe der Tonbänder, der sich Nixon noch monatelang widersetzte, bevor ihn der Oberste Gerichtshof in dem Verfahren United States v. Nixon schließlich dazu zwang.
Neben dort zu hörenden belastenden Aussagen war es auch die teils von derben Schimpfwörtern geprägte Ausdrucksweise, welche dem Ansehen des Präsidenten schadeten. Unter anderem bezeichnete er darin Bundeskanzler Willy Brandt als „Idioten“. Auch gegenüber Juden und Schwarzen äußerte sich Nixon wiederholt abfällig.
Die Tonaufnahmen leisteten einen wichtigen Beitrag im Prozess, da sie die Aussagen des Juristen und Hauptbelastungszeugen Sean Dean gegen Präsident Nixon bestätigten. Dean war es auch gewesen, der den Verdacht geäußert hatte, dass die Konversationen im Weißen Haus abgehört wurden. Erst dieser Verdacht hatte dazu geführt, dass Butterfield im Untersuchungsausschuss konkret nach einer derartigen Spionageinstallation befragt worden war.
Für Aufsehen sorgte insbesondere das sogenannte „Smoking Gun“-Tonband mit einem Gespräch zwischen Nixon und seinem Stabschef im Weißen Haus, H. R. Haldeman. Es dokumentierte die Anfangsphase der Watergate-Vertuschung, bei dem beide Protagonisten einen Plan aushecken, um die Ermittlungen durch Falschaussagen der CIA zu blockieren. Durch die Aufnahmen, welche am 5. August 1974 veröffentlicht wurden, erloschen auch bei seinen politischen Unterstützern die letzten Zweifel an der Unschuld des Präsidenten.
Der politische Druck wurde so stark, dass Nixon am 8. August 1974 seinen Rücktritt als US-Präsident erklärte – ein bis heute einmaliger Vorgang in der Geschichte der USA. Erst 2013 wurden die letzten Nixon-Tonbänder der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 13.07.2021