Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs entwickelte sich Berlin im Kalten Krieg zur unumstrittenen Hauptstadt der Spione. Die Stadt befand sich an der Frontlinie der bipolaren Welt – einer Welt, die sich in ein westliches, von den USA geführtes, und östliches, von der Sowjetunion geführtes Lager aufteilte. Nirgendwo trafen die damaligen Großmächte so unmittelbar aufeinander – dies eröffnete außergewöhnliche Möglichkeiten zur Spionage.
1945 wurde Deutschland von den Siegermächten USA, Großbritannien, Frankreich sowie der Sowjetunion besetzt und in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Damit ging auch die Aufteilung der ehemaligen Hauptstadt Berlin in vier Sektoren einher. Dies hatte zur Folge, dass es in dieser Stadt auf engstem geografischem Raum zu militärischen und nachrichtendienstlichen Aktivitäten der Siegermächte kam.
Doch die Einheit der Siegermächte bekam bald Risse. Schnell sollte sich zeigen, dass hier zwei Ideologien aufeinander prallten und damit unvereinbare Auffassungen, wie Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu organisieren sind. Der Konflikt zwischen Kapitalismus und Sozialismus entwickelte sich zum Kalten Krieg.
Im besetzten Deutschland gelang es den Siegermächten nicht, sich zu einigen, wie das Land in Zukunft organisiert werden sollte. So kam es 1949 zur Gründung zweier deutscher Staaten: der Bundesrepublik Deutschland (BRD) im Westen als parlamentarische Demokratie und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) im Osten als sozialistischer Staat.
In beiden deutschen Staaten begann nun der Aufbau eigener Geheimdienste – unter maßgeblicher Mitwirkung der Siegermächte. In der DDR entstand nach Vorbild des sowjetischen Geheimdienstes das Ministerium für Staatssicherheit, umgangssprachlich als Stasi bekannt, mit Sitz in Ost-Berlin. Zusätzlich errichtete der sowjetische KGB in Berlin-Karlshorst seinen größten Stützpunkt außerhalb von Moskau.
Die neuen westdeutschen Geheimdienste BfV und BND waren zwar auch in Berlin aktiv, hatten ihre Hauptsitze allerdings in Köln beziehungsweise in Pullach bei München. Die politischen Spannungen um den Status Berlins galten damals als zu unsicher. Im Falle einer militärischen Eskalation des Kalten Kriegs war allen Beteiligten klar, dass West-Berlin nicht zu halten wäre. Damit wären auch die westdeutschen Geheimdienste-Zentralen verloren – ein Risiko, dass niemand eingehen wollte.
Schnell spielte Berlin eine besondere Rolle im Kalten Krieg. In den 1950er-Jahren waren die Grenzen der Stadt noch offen. Spione konnten also relativ einfach im Gebiet des Gegners Informationen sammeln, Quellen anwerben und Operationen durchführen. Berlin wurde zum regelrechten Spionagedrehkreuz und bereits jetzt zur Hauptstadt der Spione.
In dieser Zeit stützte sich ein Großteil der geheimdienstlichen Erkenntnisse auf menschliche Quellen. Einmal durch die zahlreichen Spionagenetzwerke, die über die ganze Stadt verteilt waren. Eine weitere wichtige Quelle waren die aus der DDR nach West-Berlin fliehenden Bürger. Im Gegensatz zur wirtschaftlich schwächelnden DDR erlebte die BRD durch amerikanische Aufbau- und Finanzhilfen ein Wirtschaftswunder. Die Aussicht auf höhere Lebensqualität bewog viele DDR-Bürger dazu, ihr Glück im Westen zu suchen.
Die westlichen Geheimdienste erkannten sofort das Potenzial dieser Fluchtbewegung als Mittel zur Informationsbeschaffung. In Notaufnahmelagern wie Berlin-Marienfelde befragten sie die Flüchtlinge gezielt zu Vorgängen in der DDR. Dabei boten sich auch immer wieder Gelegenheiten zur Anwerbung neuer Spione. Falls der Flüchtende beispielsweise in einer Position arbeitete, die ihm Zugang zu wichtigen Informationen erlaubte, versuchte man, diesen als Mitarbeiter zu rekrutieren und schickte ihn als Spion zurück in die DDR.
Auch ausgefeilte Spionagetechnik kam bereits früh zum Einsatz. Mitte der 1950er-Jahre gelang es Amerikanern und Briten, mit dem Bau eines 450 Meter langen Tunnels Telefonkabel auf dem Gebiet der DDR anzuzapfen. Über diese lief unter anderem die Kommunikation des sowjetischen Militärs. Diese „Operation Gold” wurde allerdings frühzeitig durch den Doppelagenten und KGB-Spion George Blake verraten. Blake arbeitete für den britischen Geheimdienst MI6 und hatte so von dem Plan erfahren.
Die Operation Gold war dennoch kein kompletter Fehlschlag. Um ihren wertvollen Doppelagenten zu schützen, konnte die Sowjetunion den Tunnel nicht zu früh auffliegen lassen, sonst wäre der MI6 misstrauisch geworden. Man ließ die Operation Gold also einige Monate laufen, bevor sich eine Gelegenheit bot, den Tunnel zu enttarnen, ohne dass der Verdacht auf Blake fiel.
Die Situation für Spione in Berlin veränderte sich durch den Mauerbau der DDR im Jahr 1961 drastisch. Der Mauerbau riegelte die Grenze zwischen Ost- und West-Berlin ab und stoppte die immer größer werdende Fluchtbewegung der DDR-Bürger.
Für die westlichen Geheimdienste ergaben sich damit völlig neue Voraussetzungen zur Spionage im Berlin des Kalten Kriegs. Die abgeriegelte Grenze machte es sehr schwer, Kontakt mit Spionen im Osten zu halten. Fast alle Spionagenetzwerke der westlichen Geheimdienste brachen ab.
Gezwungenermaßen änderten die westlichen Geheimdienste daraufhin ihre Arbeitsweise. In den folgenden Jahrzehnten konzentrierten sie sich in Berlin stärker auf technische Ansätze der Spionage, der menschliche Spion verlor für sie an Bedeutung.
Mauerbau in Berlin, August 1961
Bis heute weithin sichtbares Bauwerk dieser Zeit ist die Field Station Berlin auf dem Teufelsberg: Eine spionierende Abhörstation in exponierter Lage, durch die amerikanische und britische Geheimdienste mit modernster Technik weit Richtung Osten in die Staaten des Warschauer Paktes hineinhorchen konnten. In Verbund mit anderen Anlagen in der Stadt wie der US-Radaranlage in Berlin-Marienfelde lag die Reichweite bei bis zu 500 Kilometern.
Die östlichen Geheimdienste Stasi und KGB waren dagegen in der Lage, auch im abgeriegelten Berlin Spione effektiv einzusetzen. Da die DDR die Grenze kontrollierte, richtete man geheime Grenzschleusen ein, durch die Spione in den Westen und wieder zurück gelangen konnten.
Ein besonders häufiger Übergang für Spione befand sich am Bahnhof Friedrichstraße mitten in Berlin. Dort verkehrten im Kalten Krieg Züge sowohl aus Ost-Berlin als auch aus West-Berlin. Über getarnte Zugänge gelangten Spione auf die Bahnsteige gen Westen, die für DDR-Bürger nicht ohne weiteres zu erreichen waren. So blieben die Spionagenetzwerke von KGB und Stasi in West-Berlin den ganzen Kalten Krieg über aktiv.
Sabine Kroschel / pixabay
Zu den besonders spannenden Kapiteln Berlins als „Hauptstadt der Spione” zählt natürlich auch der Agentenaustausch auf der Glienicker Brücke. Dreimal wurden hier, an der Grenze zwischen Berlin und der DDR, hochrangige Spione auf spektakuläre Art und Weise ausgetauscht. 1962 fand dort der erste Austausch von Spionen zwischen Ost und West im Kalten Krieg statt – Steven Spielberg hat ihm mit dem Film “Bridge of Spies” ein filmisches Denkmal gesetzt. 1985 folgte der größte Agentenaustausch, bei dem 25 Spione westlicher Geheimdienste gegen vier KGB-Spione ausgetauscht wurden.
1986 fand ein letzter Austausch statt, der von zahlreichen internationalen Medien mit großem Interesse verfolgt wurde. Hier zeigte sich die wichtige Rolle Berlins im Kalten Krieg: Erstmals wurden nicht nur Spione, sondern auch ein Regimekritiker aus der Sowjetunion entlassen. Dieses Zugeständnis verdeutlichte die zunehmende Entspannung zwischen Ost und West.
Wenige Jahre später fiel die Mauer und ein neues Zeitalter der Berliner Geschichte begann. Doch auch ohne Kalten Krieg und Stasi bleibt Berlin als nationaler sowie internationaler bedeutsamer wirtschaftlicher und politischer Knotenpunkt ein Hotspot für Spione. Zahlreiche Geheimdienste sind im Geheimen nach wie vor in der deutschen Hauptstadt aktiv und regelmäßig sorgen ihre aufgedeckten Aktionen für Schlagzeilen.