Rückblick: Krieg im Nahen Osten – Nachrichtendienste im Stresstest?

Es brodelt im Nahen Osten: Ist aktuell eine neue Achse zwischen Russland und Iran gegen den Westen entstanden? Was passiert an der geheimen Front der Nachrichtendienste? Am 17. September 2024 diskutierten Experten zu diesem Thema im Deutschen Spionagemuseum.

Was wussten Geheimdienste über den Angriff am 7. Oktober 2023?

Es war der Beginn einer neuen Zeitrechnung im Nahen Osten: Am 7. Oktober startete die Hamas einen beispiellosen Terrorangriff auf Israel. Seitdem griff auch die proiranische Schiiten-Miliz Hisbollah Israel wiederholt mit Raketen an. Israel antwortete mit Gegenschlägen, seitdem kommt es in der Region fast täglich zum militärischen Schlagabtausch, ein Ende der Feindseligkeiten ist nicht in Sicht.

Im Deutschen Spionagemuseum diskutierten Geheimdienst-Experten, was sich an der geheimen Front dieses Konflikts tut, und analysierten die Arbeit der beteiligten Geheimdienste. Unter der Moderation des Politologen Hauke Gierow trafen sich dazu auf dem Podium die Politologin Prof. Dr. Sophia Hoffmann, der militärischer Cyberexperte Dr. Sandro Gayken und der ehemalige BND-Präsident Gerhard Schindler.

Podiumsdiskussion im Deutschen Spionagemuseums: Gerhard Schindler, Hauke Gierow, Sophia Hoffmann und Sandro Gayken (v.l.n.r.)

Gleich zu Beginn lobte Schindler die Arbeit der israelischen Geheimdienste im gegenwärtigen Konflikt. Ein Versagen der Geheimdienste im Vorfeld zu den Attacken zum 7. Oktober sei seiner Ansicht nach nicht zu erkennen. Auch wenn es Warnhinweise befreundeter Geheimdienste gegeben hatte, sei es oft nicht möglich, diesen sofort nachgehen – übereilte Reaktionen hätten zuweilen unvorhersehbare Folgen.

Sophie Hoffmann stellte dazu fest, dass man nach der derzeitigen Datenlage schlicht nicht wissen könne, ob Israels Dienste über den 7. Oktober ausreichend informiert waren. Falls es ein Versagen gegeben hätte, sei es möglich, dass intern die Kommunikation nicht funktioniert habe. 

Arbeit der Geheimdienste im Nahen Osten

Konkrete Beispiel der israelischen Geheimdienstarbeit nannte Sandro Gayken. Die Geheimdienste hacken Handys von Islamisten und beobachten deren Bewegungsprofile. Somit sei es relativ leicht, eine Gruppe sowie deren Verhalten und Aktivitäten zu analysieren. Auf diese Weise lassen sich Hamas-Zellen, Hauptquartiere und Stellungen ausfindig machen und gezielt mit Drohnen oder Raketen attackieren.

Hoffmann macht zudem deutlich, dass neben dem israelischen Geheimdienst auch andere mächtige Geheimdienste in den Nachbarländern agieren. Hervorzuheben wären die Geheimdienste Ägyptens und Jordaniens. Diese würden nicht nur als reine Nachrichtendienste eingesetzt, sondern auch als Teil der Regierung, um die Bevölkerung zu überwachen. Zu diesem Zweck verfügen sie über sehr viel Macht und Befugnisse – bis hin zur Anwendung von Waffengewalt.

Konflikt destabilisiert demokratischen Strukturen

Die Entwicklung des Konflikts zeige laut Hoffmann, dass die israelische Armee nicht so stark sei wie immer vermutet wird. Wenn sich der Krieg auf den Libanon ausweite, sei Israel auf die Unterstützung durch die Amerikaner angewiesen. Generell seien die Amerikaner entscheidend für alle weiteren Entwicklungen im Nahen Osten. Allerdings gab es zuletzt Spannungen zwischen den USA und Israel bezüglich Israels Kriegsführung.

Unabhängig von der amerikanischen Haltung müsse Deutschland uneingeschränkt hinter Israel stehen, so Gerhard Schindler. Die Lage des Landes sei prekär, historisch sei es umgeben von Feinden, die ihm das Existenzrecht absprächen. Faktoren wie die hohe Jugendarbeitslosigkeit unter der arabischen Bevölkerung führten zu hohem Frust und begünstigen die zunehmende Radikalisierung.

Sorgen bereitete Sophie Hoffmann zudem die politische Situation Israels. Als negativ für eine Befriedigung des Konflikts bewertete sie die Personalie des israelischen Regierungschefs Netanjahu. Dieser kämpfe um sein politisches Überleben und muss sich gleichzeitig vor Gericht wegen Korruptionsanklagen verantworten. Es sei unvorhersehbar, wie sich die politische Lage Israels nach Ende des Konfliktes entwickele.

Abschließend stellte Gayken fest, dass vor allem Russland ein großer Profiteur dieses Konfliktes sei. Dieser binde Ressourcen im Nahen Osten, die dann nicht der Ukraine zur Verfügung gestellt werden könnten. Zudem lenke der Konflikt die Weltöffentlichkeit vom Krieg in der Ukraine ab.

Die Veranstaltung machte deutlich: Hier entsteht eine unabsehbare politische Gemengelage, deren Ausgang und internationale Wirkung derzeit noch völlig offen ist.


Auch bei der nächten Veranstaltung im Deutschen Spionagemuseum am 15. Oktober 2024 geht es um ein hochaktuelles Thema: Rechtsextremismus-Experte Marcus Bensmann stellt sein Buch zur AfD vor.

Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 26.09.2024