Legendäre SOE-Aktion am 14. Januar 1942: Schiffskaperung mit der Operation Postmaster

Die britische Spezialeinheit SOE ist berühmt für ihre außergewöhnlichen verdeckten Operationen gegen die Achsenmächte. Die Operation Postmaster gegen deutsche und italienische Schiffe gilt als ein Paradebeispiel für eine schnelle und erfolgreiche SOE-Geheimaktion.

Gründung der Spezialeinheit No. 62 Commando

Die Grundlage der Operation bildeten Berichte, nachdem deutsche U-Boote afrikanische Flüsse, die zu Vichy-Frankreich gehörten, als Basis zum Auftanken nutzen würden. Die britische Spezialeinheit No. 62 Commando, auch bekannt unter dem Namen SSRF (Small Scale Raiding Force = kleines Überfallkommando), erhielt den Auftrag, diesen Berichten nachzugehen.

Logo des SSRF, Major Gus March-Phillipps [British Army]

Das SSRF war eine kleine Einheit mit maximal 55 Mitgliedern des britischen Militärs unter der Führung der legendären Spezialeinheit Special Operations Executive (SOE). Gegründet wurde das SSRF von Gus March-Phillipps. Die oft waghalsigen Aktionen des jungen Majors inspirierten Ian Flemming bei der Entwicklung einiger Aspekte des fiktionalen Superagenten James Bond.

Waghalsiger Operationsplan gegen verdächtige Schiffe

Mit einem Team aus fünf SSRF-Mitgliedern begann Gus March-Phillipps ab 1941 mit der Maid Honor, einem unauffälligen Boot zur Hochseefischerei, die Südwest-Küste Afrikas nach deutschen U-Boot-Standorten abzusuchen. Dabei fielen den Agenten drei italienische und deutsche Schiffe auf, die im Hafen der nahen spanischen Insel Fernando Po (heute: Bioko) lagerten. Rasch verfestigte sich der Verdacht, dass diese geheime Funknachrichten über alliierte Schiffsbewegungen absetzen sowie Waffen und Munition schmuggeln.

Man fasste den Plan, die Schiffe zu entern und zu übernehmen. Das für die Operation zusammengestellte Überfallkommando bestand aus 32 Personen. Die Mission in neutralen spanischen Gewässern gegen die verdächtigen zivilen Schiffe war diplomatisch heikel. Man fürchtete Konsequenzen und den Vorwurf der Piraterie. Um eine Tarngeschichte zu entwickeln, entsandte die britische Admiralität die Korvette HMS Violet, um die Schiffe auf See abzufangen, und dann zu behaupten, dass sie auf dem Heimweg nach Europa abgefangen worden seien.

Ablauf der Operation Postmaster

Ein SEO-Agent war bereits zuvor zu Aufklärungszwecken zum Hafen von Fernando Po geschickt worden. Dort gelang es ihm, eine Arbeit anzunehmen und so Kontakt zu den verdächtigen Schiffen aufzubauen. Er lieferte Informationen über die Besatzungsstärke und die Wachordnung. An dem Tag der Razzia konnte er zudem einige Besatzungsmitglieder mit einer Einladung zu einer Feier an Land locken. Diese standen dann nicht mehr zur Verteidigung des Schiffes zur Verfügung.

Auf dem Weg zum Einsatzort hatte das Kommandoteam das Ablassen von faltbaren Kajaks und das Entern von Schiffen geübt. Kurz nach 23 Uhr am 14. Januar 1942 erreichten sie den Hafen. Es gelang ihnen, sich unauffällig den Schiffen zu nähern. Das Wachpersonal sprang fliehend über Bord, als das Team das Schiff enterte, die Crewmitglieder unter Deck wurden gefangen genommen.

Nachdem die Ankerleinen der Schiffe gesprengt worden waren, begann man damit, die Schiffe abzuschleppen. Die durch die Explosionen alarmierte Bevölkerung schaute dem Vorgang vom Pier aus tatenlos zu. Das Militär auf der Insel vermutete einen Luftangriff und begann ziellos mit Flaks in den Himmel zu schießen, ohne jedoch eine Gefahr für das Sonderkommando darzustellen.

Bedeutung der Operation Postmaster

Insgesamt hatte die erfolgreiche Aktion nur 30 Minuten gedauert und lief ohne einzigen Verlust für das Kommandoteam ab. Ein Schiff wurde planungsgemäß von der HMS Violet abgefangen, das andere wegen Maschinenproblemen in den Hafen von Lagos geschleppt. Die Razzia stärkte das Ansehen des SOE in einer kritischen Zeit und bewies die Fähigkeit der Spezialeinheit, geheime Operationen ungeachtet der politischen Konsequenzen zu planen und durchzuführen.

Der spanische Gouverneur der Gegend protestierte, beließ es aber bei Drohungen, dass bei einer ähnlichen Aktion gegebenenfalls Waffengewalt angewendet werden würde. Die diplomatischen Konsequenzen hielten sich also im Rahmen.

Bis 2017 blieben die Vorgänge zur Operation Postmaster geheim, mittlerweile sind sie in den National Archives frei einzusehen. Erst letztes Jahr kam mit The Ministry of Ungentlemanly Warfare ein Film in die Kinos, dessen Handlung auf der Operation basiert, die Ereignisse aber stark fiktionalisiert und mit dem tatsächlichen Hergang derEreignisse im Grunde kaum noch etwas zu tun hat.


Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 14.01.2025