Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) war das „Schild und Schwert“ der SED-Regierung, mittlerweile ist es einer der besterforschten Geheimdienste überhaupt. 75 Jahre nach der Gründung des MfS diskutierten Zeitzeugen und Historiker im Deutschen Spionagemuseum zur Geschichte des Geheimdiensts.
Das Interesse an der Geschichte des MfS ist immer noch groß, wie der vollbesetzte Veranstaltungsraum am 11. Februar 2025 deutlich machte. Auf dem Podium schilderten die ehemaligen ranghohen MfS-Mitarbeiter Heinz Engelhardt und Karl Rehbaum ihre Erinnerungen. Ergänzt wurden diese durch die Expertise von BND-Historiker Bodo Hechelhammer und Moderator Helmuth Müller-Enbergs.
Gleich zu Anfang der Diskussion kam die Frage auf, wozu die sozialistische DDR einen Geheimdienst gründete, der auch als Geheimpolizei und Unterdrückungsorgan fungierte. Engelhardt verwies darauf, dass die westlichen Geheimdienste und von diesen gesteuerten Organisationen wie der Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen in der DDR sehr aktiv waren. Diese feindlichen Aktivitäten von außen seien der eigentliche Anlass zur Gründung des MfS gewesen. Erst später sei der Geheimdienst vermehrt dazu genutzt worden, gegen tatsächliche und vermeintliche politische Gegner vorzugehen.
Rehbaum ergänzte, dass jeder Staat „der etwas auf sich hält“ einen Nachrichtendienst besitzt. Rehbaum arbeitete allerdings für die HV A, die MfS-Abteilung für Auslandsspionage. Deren Schwerpunkt lag vor allem auf der Aufklärung gegen die BRD, nicht auf der Spionage gegen die Bevölkerung innerhalb der DDR (auch wenn die HV A der Geheimpolizei informationstechnisch bisweilen zuarbeitete). Seiner Meinung nach leistete die HV A einen bedeutenden Beitrag zum Erhalt des Friedens im Kalten Krieg. Dieser würde auch von amerikanischen und britischen Geheimdiensten als bedeutend eingeschätzt.
Kritik an dieser Selbstdarstellung kam von Bodo Hechelhammer. Er verwies darauf, dass er durchaus befürworte, dass es heute einen Verfassungsschutz statt einer Geheimpolizei gebe, welche kritische Stimmen in der Bevölkerung unterdrückt.
Engelhardt gab zu bedenken, dass seiner Meinung nach auch BND und Verfassungsschutz keine weißen Westen hätten. Dies wäre zum Beispiel beim NSU-Skandal deutlich geworden, bei dem erwiesenermaßen Nazis als V-Männer genutzt wurden. Er räumte aber ein, dass die Anwendung vieler repressiver Maßnahmen dem MfS einen großen Imageschaden zugefügt hätte.
Nach gängiger Lesart hatte das MfS bei seiner Auflösung 91.015 hauptamtliche Mitarbeiter sowie zwischen 109.000 und 190.000 inoffizielle Mitarbeiter. Bei lediglich 16 Mio. Einwohnern in der DDR ein gewaltiger Apparat: Auf 87 Einwohner kam ein MfS-Mitarbeiter, wie Müller-Enbergs schlussfolgerte. Die Zahlen erscheinen noch eindrucksvoller, wenn man bedenkt, dass der BND zeitgleich laut Hechelhammer etwa 6000-7000 Mitarbeiter hatte.
Laut Engelhardt müsste man diese Zahlen deutlich relativieren. Abzüglich von Mitarbeitern wie Küchenpersonal, Wachregiment und ähnlichem seien es vielleicht 36.000 Mitarbeiter im operativen Dienst gewesen. Auch das im Vergleich zu westdeutschen Diensten eine enorme Menge. Daher musste Engelhard dem Vorwurf zustimmen, dass Mielkes Sicherheitsprofil „aus dem Ruder gelaufen sei“. Aufgrund dessen Zielgebung „alles zu wissen“ sei es nicht immer gelungen, sich auf bestimmte tatsächlich extremistische Gruppierungen zu fokussieren.
Ein abschließender Diskussionspunkt der Veranstaltung beschäftigte sich mit der Aktenvernichtung im Zuge der Auflösung des MfS. Vor allem der HV A gelang es frühzeitig, die eigenen Akten zu vernichten – mit Ausnahme der sogenannten Rosenholz-Dateien. Die dort enthaltenen Informationen führten nach der Wende zur Enttarnung zahlreicher HV A-Agenten.
Rehbaum bekannte dazu, es liege ihm bis heute „auf der Seele“, dass es nicht gelungen sei, alle HV A-Agenten zu schützen. Bis heute ist unbekannt, wie die Dateien zum CIA gelangten. Rehbaum glaubte aber nicht an die verbreitete Legende, dass die Zulieferung über den KGB kam. Dieses Gerücht diene seiner Meinung nach lediglich zur Verschleierung des tatsächlichen Vorgangs.
Eine interessante Anekdote, die Einblick in den Kampf zwischen den Geheimdiensten gab, schilderte Rehbaum zum Abschluss. Bewusst habe die HV A einige Ordner im Hauptquartier stehen lassen. Diese enthielten die gesammelten Erkenntnisse der HV A über den BND, und man wollte sicherstellen, dass dieser davon erfahre. Eine letzte Spitze gegen den Geheimdienst des Klassenfeinds…
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 13.02.2025