Berühmte Verschwörungstheorien: Die AIDS-Verschwörung

Im Kalten Krieg startet das KGB eine gezielte Desinformationskampagne, die als AIDS-Verschwörung in die Geschichte eingeht. Dabei stellt man die Behauptung auf, dass HI-Virus entstamme einem US-Militärforschungslabor. Hier die wichtigsten Fakten im Überblick.

KGB startet „Operation Infektion“

1981 wird AIDS in den USA als eigenständige Krankheit anerkannt. Der sowjetische Geheimdienst KGB sieht in der noch weitgehend unerforschten Erkrankung die Möglichkeit, eine gezielte Desinformationskampagne einzuleiten. Ziel ist es, das internationale Ansehen der USA zu schädigen.

Die Desinformationskampagne Operation Infektion beginnt mit der Veröffentlichung eines anonymen Leserbriefs in der indischen Zeitschrift Patriot. In diesem wird behauptet, dass HI-Virus entstamme einem US-Militärforschungslabor in Fort Detrick. US-Forscher hätten das HI-Virus in Afrika entdeckt. Bei Experimenten zur Eignung für eine biologische Kriegsführung sei das Virus dann aus dem US-Militärforschungslabor entwichen.

Fingierter Leserbrief in der Zeitschrift Patriot

Weitere gezielt gestreute Artikel und TV-Dokumentationen verbreiten die Falschinformationen in den folgenden Jahren international weiter. Auch die mit dem KGB verbündeten Geheimdienste KDS (Komitee für Staatssicherheit in Bulgarien) und die Staatssicherheit der DDR werden in die Verbreitung der KGB-Desinformationskampagne eingebunden.

Stand Segal im Dienst der DDR-Staatssicherheit?

1985 stellt der renommierte Ost-Berliner Biologe Jakob Segal eine eigene These zum AIDS-Ursprung auf. Dabei geht er davon aus, dass das HI-Virus 1979 in Fort Detrick künstlich gezüchtet worden und durch Tests an Gefängnisinsassen in Umlauf geraten sei.

Segal publiziert seine These erstmals in der Broschüre AIDS: USA – home made evil; not imported from Africa im Rahmen einer Konferenz. In wissenschaftlichen Kreisen erfährt die These keine Zustimmung. Eine Zusammenarbeit mit dem KGB oder der Staatssicherheit der DDR hat Segal stets bestritten. Auch wenn sich diese nicht nachweisen lässt, so gibt es Hinweise, dass die Geheimdienste Segal beeinflusst haben könnten, indem sie ihm „Informationsmaterial“ zukommen ließen, ohne dass er die Herkunft kannte.

Publikation von Jakob Segal

Die beteiligten Geheimdienste treiben die Desinformationskampagne auch sonst mit großem Aufwand voran. Es gelingt unter anderem, 1986 einen vielbeachteten Artikel in der englischen Boulevardzeitung Sunday Express zu veröffentlichen. Die taz veröffentlicht 1987 ein Interview mit Jakob Segal, das maßgeblich zur Verbreitung von dessen Theorien in der Bundesrepublik Deutschland beiträgt. Die Fort Detrick-These findet international Anklang – vor allem in linkspolitischen Kreisen und in Afrika.

Das Ende der KGB-Desinformationskampagne

Die Führung der Sowjetunion unter Michail Gorbatschow beschließt 1987, die Verbreitung der Desinformationskampagne über die sowjetische Presse zu stoppen. Hintergrund ist die Bemühung, die mittlerweile verbesserten Beziehungen zu den USA nicht zu gefährden. Drei Jahre später berichtet der übergelaufene KGB-Agent Oleg Gordijewski, dass es sich bei der Behauptung, AIDS entstamme einem US-Militärlabor, um eine gezielte KGB-Desinformationskampagne handelt.

Auch der übergelaufene KGB-Agent Wassili Mitrochin bestätigt die Desinformationskampagne des KGB. Als Mitarbeiter des für Auslandsoperationen zuständigen Ersten Direktorats des KGB hatte er Unterlagen aus dem KGB-Archiv handschriftlich kopiert. Offiziell wird es 1992, als Yevgeny Primakov, Direktor des russischen Auslandsgeheimdiensts SWR, zugibt, dass der KGB für die Veröffentlichung von Zeitungsartikeln verantwortlich war, in denen die Entwicklung von AIDS im Auftrag der US-Regierung behauptet wurde.

Selbst wenn die Existenz der Desinformationskampagne mittlerweile durch weitere Zeitzeugen und ein KGB-Dokument eindeutig belegt ist, existiert die Verschwörungstheorie weiter. Bei Umfragen unter US-Amerikanern in den Jahren 1992-2005 waren 15-50 % der Befragten der Meinung, AIDS stamme aus einem US-Labor.


Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 19.02.2025