Leicht zu tarnende Miniatur-Kameras zu entwickeln, mit denen sich im Spionageeinsatz zuverlässig gut auflösende Bilder von Dokumenten anfertigen ließen, war im Zeitalter analoger Kameratechnik eine Spezialität der technischen Abteilungen der Geheimdienste. Ein eindrucksvolles Beispiel, wie es gelingt, eine voll funktionsfähige Kamera in einem sehr beengten Versteck unterzubringen, ist eine Schlüsselanhänger-Kamera der CIA aus dem 1980er-Jahren.
Bei der Enttarnung eines amerikanischen Agenten in den frühen 1980er-Jahren stießen die Mitarbeiter der Staatssicherheit der DDR auf eine außergewöhnliches Stück Spionagetechnik: Der elegante Design-Schlüsselanhänger am Schlüsselbund des Agenten entpuppte sich bei genauerer Untersuchung als raffiniert getarnte Dokumentenkamera. Es handelte sich um eine 4,6 cm langen, schwarz glänzenden, zylinderförmigen Schlüsselanhänger, der aus acht ringförmigen Segmenten bestand. Das oberste Segment ließ sich abschrauben und gab die Linse der Kamera frei.
Eine solch seltene Gelegenheit, die Spionagetechnik feindlicher Geheimdienste genauestes zu analysieren, lies sich technische Abteilung des MfS, der Operativ-Technische Sektor (OTS), nicht entgehen. Die Ergebnisse der „Untersuchung einer getarnten Miniaturkamera“ durch den OTS aus dem Jahr 1987 sind in den Beständen des Stasi-Unterlagen-Archivs erhalten.
Um die getarnte Dokumentenkamera zu nutzen, musste der Agent das vordere Zylindersegment abschrauben und die Befestigungsöse bis zum Anschlag herausdrehen. Danach diente die Öse als Auslöser: das Foto wurde aufgenommen, wenn man sie mit dem Daumen hineindrückte. Durch das Drücken der Öse wurde in der ersten Bewegungsphase der Film transportiert und in der zweiten der Verschluss ausgelöst, um das Foto aufzunehmen. Durch eine Druckfeder gelangte die Öse wieder in die Ausgangsstellung, sodass umgehend eine neue Aufnahme möglich war.
Aufgrund ihrer kleinen Abmessungen ließ sich die Kamera beim Einsatz in der geschlossenen Hand verbergen. Eine übliche Position beim Einsatz derartiger Spionagekameras war folgende: Der Agent setzt sich an einen Tisch vor das Schriftstück, stellte einen Ellenbogen auf die Tischplatte und stütze sich mit Hand, in der sich die Kamera verbarg, am Kopf ab. In dieser unauffälligen Lesehaltung mit aufgestütztem Ellenbogen konnte er die Kamera nach unten ausrichten und wie beschrieben mit dem Daumen den Kameraauslöser drücken.
Aufgrund des beengten Platzangebots innerhalb des Kamerakorpus gab es bei derartigen Miniaturkameras keinen Raum für den Einbau eines Autofokus. Aus diesem Grund waren die Kameras fest auf die Aufnahme eines bestimmten Dokumentengröße aus einer festgelegten Entfernung eingestellt. Sehr oft – und auch bei der CIA-Schlüsselanhänger-Kamera – handelt es sich dabei um das üblichste Dokumentenformat DIN A4.
Der Aufnahmeabstand lag bei 27,5 cm, also etwa der Länge des Unterarms, auf den sich der Agent abstützte. Oft wurde die Kameras auch individuell auf die Unterarmlänge des jeweiligen Agenten angepasst, um möglichst scharfe Aufnahmen zu gewährleisten. Gegen geringe Variationen des Aufnahmeabstand war die Kamera aber unempfindlich. Laut OTS waren damit Aufnahmen von Details möglich, die kleiner als Schreibmaschinenschrift sind.
Der 5 mm breite Spezialfilm der Spionagekamera fasste 40-50 Aufnahmen. Ein Agent sollte stets mit einem neuen Film in den Einsatz gehen, ein spontaner Filmwechsel war aufwendig. Der Vorgang sollte zudem im Dunkeln stattfinden, um den unentwickelten Film nicht zu beschädigen. Dazu musste zuerst die komplette Kamera aus der Tarnung herausgeschraubt und die umgebene Technik wie die Druckfeder abgenommen werden. Anschließend löste man die Filmkassette, indem man einen spitzen Gegenstand wie eine Nadel auf einen 1 mm großen Druckmechanismus presste. Dann lies sich die Filmkassette herausziehen und ersetzen.
Da die Entwicklung einer solche speziellen Spionagekamera viel Zeit und Ressourcen beansprucht ist davon auszugehen, dass die Kamera keine Einzelanfertigung darstellt. Auch die Experten des OTS nahmen an, dass die Kamera in unterschiedlichsten Tarnungen zum Einsatz kam. Bis jetzt allerdings ist lediglich die im Deutschen Spionagemuseum ausgestellte CIA-Schlüsselanhänger-Kamera bekannt.