In der Spionagewelt kann jedes unbedachte Wort das Ende einer Operation oder einer mühsam aufgebauten Geheimidentität bedeuten. Aus diesem Grund beherrschen viele Agenten Tricks und Verfahren zur verdeckten non-verbalen Kommunikation mit verschiedensten Formen von Geheimzeichen. Ein außergewöhnliches Beispiel dieser Gattung ist der Schnürsenkel-Code der CIA.
Um den Code anzuwenden, muss der Agent seine Schnürsenkel lediglich in einem bestimmten Muster tragen. Derartige öffentlich zur Schau getragene Geheimzeichen, die dabei aber so unauffällig sind, dass sie im Alltag unbemerkt bleiben, haben mehrere Einsatzszenarien. Sie können als Erkennungszeichen dienen, falls sich zwei Agenten treffen, die sich zuvor nie begegnet sind.
Darüber hinaus lassen sie sich als Signalzeichen verwenden, um den anderen Agenten zu warnen: „Kein Kontakt aufnehmen, ich werde beobachtet!“ In solchen Situationen wären schon kleine Handzeichen oder ein kurzes Kopfschütteln zu gefährlich – das Binden der Schuhe dagegen bleibt unverdächtig. Nach Absprache lassen sich mit derartigen Geheimzeichen auch kurze Nachrichten wie „Auftrag ausgeführt“ oder „Botschaft angekommen“ übermitteln.
Generell gibt es keine einheitliche Symbolsprache für solche Zeichen. Die jeweilige Bedeutung wird individuell vereinbart. Dadurch ist sichergestellt, dass der Gegner das Geheimzeichen nicht als solches erkennen und interpretieren kann.
Entwickelt wurde der Schnürsenkel-Code von dem Zauberkünstler John Mulholland, der in den 1950er-Jahren für die CIA ein Handbuch mit diversen Möglichkeiten zur Täuschung und Irreführung verfasste. Als erfolgreicher Magier war Mulholland ein Meister darin, sein Publikum zu täuschen, um es mit seinen Tricks zu verblüffen. Für den US-Geheimdienst adaptierte er zahlreiche seiner Techniken und entwickelte neue Verfahren. Das Handbuch war lange geheim, erst 2009 wurde es der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten, die Schnürsenkel anders zu binden als üblich. Sieben davon fanden Eingang in Mulhollands Buch. Dabei sollten die Kombinationen aber nicht so ausgefallen werden, dass sie Umstehenden auffallen.
Zu bedenken ist zudem, dass sich komplexe Muster am besten an Schuhen mit dünnen Schnürsenkeln wie Anzugschuhen verwirklichen lassen. Bei Sneakern oder Wanderschuhen mit ihren dickeren Schnürsenkeln dagegen sind komplexe Muster nur schwer zu erkennen.
Das Praktische an dem Schnürsenkel-Code: Es wird keine weitere Ausrüstung benötigt. Viele andere Geheimzeichen-Verfahren benötigen Utensilien wie Taschen, Hüte oder Mäntel in bestimmten Farben und Formen. Abgesehen von den erwähnten Vorteilen von Anzugschuhen lässt sich der Schnürsenkel-Code dagegen im Prinzip mit jedem Schuhpaar anwenden. Optimal ist es dabei, dass der Code auch gut zu erkennen ist, die Schuhe also eine etwas andere Farben haben als die Schnürsenkel.
Neben den Schnürsenkeln lassen sich auch andere Kleidungstücke in ähnlicher Weise zur verdeckten non-verbalen Kommunikation verwenden. Denkbar wäre es zum Beispiel, je nach Nachricht einen bestimmten Knopf des Hemdes offen zu lassen. Auch ein sichtbar platzierter Kugelschreiber in der Brusttasche eines Hemdes kann je nach Position Geheiminformationen übermitteln. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 23.03.2022