Nach einem heute veröffentlichten Urteil stellt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe fest, dass mehrere Vorschriften des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes mit dem Grundgesetz unvereinbar sind. Die darin eingeräumten Befugnisse verstoßen demnach gegen diverse Aspekte des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
Befugnisse des Verfassungsschutzes gehen zu weit
Laut der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichtes verstoßen die Befugnisse des Bayerischen Verfassungsschutzes „gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Schutz der informationellen Selbstbestimmung, teilweise in seiner Ausprägung als Schutz der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, teilweise gegen das Fernmeldegeheimnis und teilweise gegen die Unverletzlichkeit der Wohnung“. Die Befugnisse waren im Rahmen einer Neufassung und Neustrukturierung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes im Jahr 2016 erweitert worden.
Die verfassungsrechtlichen Mängel beziehen sich nicht auf die grundsätzliche Anwendung bestimmter Instrumente der Verfassungsschützer , sondern vor allem auf die Bedingungen, unter diese zum Einsatz kommen. Die Liste der Maßnahmen umfasst unter anderem die folgenden Punkte:
Akustische und optische Wohnraumüberwachung. Verfassungswidrig, denn die Maßnahme muss „final auf die „Abwehr“ der Gefahr ausgerichtet“ sein. Eine solche Begrenzung ist aber nicht im Gesetz enthalten.
Online-Durchsuchung (der IT-Systeme von Personen). „Mit dem Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme als besonderer Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unvereinbar“. Eine Begrenzung auf die „Abwehr einer mindestens konkretisierten Gefahr“ fehlt.
Ortung von Mobilfunkendgeräten. Verfassungswidrig, da das Gesetz „keine hinreichend bestimmten Eingriffsvoraussetzungen [enthält]. Ihrem Wortlaut nach ist die Erstellung von Bewegungsprofilen der Betroffenen nicht ausgeschlossen.“
Auskunft über Verkehrsdaten aus Vorratsdatenspeicherung. Verstößt gegen Grundrechte, „weil sie zum Datenabruf ermächtigt, ohne dass die betroffenen Diensteanbieter nach Bundesrecht zur Übermittlung dieser Daten an das Landesamt verpflichtet oder berechtigt wären.“
Verdeckte Mitarbeiter und Vertrauensleute. Verstößt gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Es bestehen keine „hinreichenden Eingriffsschwellen“ wie etwa zur „zulässigen Dauer des Einsatzes oder zu einer im Verhältnis zur Dauer steigenden Gefährlichkeit der zu beobachtenden Bestrebung“. Zudem existiert keine „Begrenzung des zulässigen Adressatenkreises“.
Observation außerhalb der Wohnung. „Eine Person durchgehend länger als 48 Stunden oder an mehr als drei Tagen innerhalb einer Woche verdeckt auch mit technischen Mitteln planmäßig zu beobachten, verstößt gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Regelung enthält keine hinreichenden Eingriffsschwellen.“
Signalwirkung für bundesweite Arbeit der Verfassungsschützer?
Die Klage gegen die Befugnisse des Bayerischen Verfassungsschutzes war angestoßen worden durch die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF). Der gemeinnützige Verein wurde 2015 in Berlin gegründet. Er verfolgt das Ziel, mit strategischer Klageführung den Erhalt und den Ausbau der Grund- und Menschenrechte zu erreichen. Das Verfahren könnte von grundlegender Bedeutung in Bezug auf die Frage sein, wie weit die Befugnisse der deutschen Verfassungsschützer gehen dürfen.