Vom 20.-22. Januar 2017 fand in den Münchener Kammerspielen das Symposium „Sensible Daten – die Kunst der Überwachung“ statt. Kuratiert wurde die Veranstaltung durch den Kulturjournalisten Tobi Müller und Wikileaks-Mitarbeiterin Sarah Harrison. Mitveranstalter waren neben den Kammerspielen das Goethe-Institut und die Bundeszentrale für Politische Bildung.
Zwar hatten die Veranstalter dies nicht vorhersehen können, aber dass der Termin in derselben Woche stattfand, in der die Strafe von Whistleblowerin Chelsea Manning durch Barack Obama gemildert wurde. Zudem fand die Inauguration von Donald Trump als US-Präsident statt. Diese Ereignisse verliehen dem Symposium eine besondere tagesaktuelle Note.
Die verschiedenen Veranstaltungen machten deutlich, wie vielschichtig sich das Thema Überwachung gestaltet. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung. Zu Wort kamen Journalisten, Aktivisten, IT-Spezialisten, Mitarbeiter von Nachrichtendiensten und Künstler.
Ziel dieses breit gefächerten Expertenkreises war es, neben dem Fachpublikum auch Personen zu erreichen und für das Thema zu sensibilisieren, die sich bisher kaum damit auseinandergesetzt haben. Neben den Diskussionen und Vorträgen für das Fachpublikum fanden zu diesem Zweck auch mehrere Workshops und Lernspiele speziell für Jugendliche statt.
Ein kleiner Einblick in das umfangreiche Programm: Michael George, Leiter des Cyber-Allianz-Zentrums München, äußerte sich zu den Anforderungen, die Szenarien wie ein Cyberkrieg mit sich bringen. Er beklagte, dass viele Firmen zu zögerlich in IT-Security investieren. Der Publizist Evgeny Morozov und die IT-Expertin sowie Autorin Yvonne Hofstetter setzen sich mit der Zukunft in „Smart Cities“ auseinander, in denen alle Bewohner akribisch erfasst werden. Frank Rieger vom Chaos Computer Club (CCC) und Martina Renner (MdB, DIE LINKE) analysierten die undurchsichtige Rolle des BND im Zusammenhang mit der NSA-Affäre. Beide kritisierten, dass viele Informationen zu den Vorgängen nach wie vor nicht zugänglich seien.
Immer wieder gelang den Veranstaltern, durch kontroverse Diskussionen unterschiedliche Perspektiven zu einem Themenbereich zu eröffnen. So diskutierten beispielsweise der Journalist Frederick Obermayer, der an Enthüllungen der den Panama Papers beteiligt war, und Wikileaks-Mitarbeiterin Sarah Harrison sowie der Philosoph Geoffroy de Lagasnerie, wann Dokumente von öffentlichem Interesse sind und die Publizierung angemessen ist. Obermayer mahnte an, dass der Schutz persönlicher Informationen in diesen Dokumenten zuvor eingehend geprüft und garantiert werden müsse. Das Überwachung sich auch „umdrehen“ lässt, zeigten die Aktivisten der Organisation Black Lives Matter. So ließen sich zum Beispiel Kameraaufnahmen verwenden, um Polizeigewalt nachzuweisen.
Auch zwei Whistleblower kamen bei dem Symposium zu Wort. William (Bill) Binney war ehemaliger technischer Direktor der NSA und ist jetzt überzeugter Kritiker der Datensammelwut der Geheimdienste. Zusammen mit dem Regisseur Friedrich Moser stellte er den Dokumentarfilm „A Good American“ vor, der seine Geschichte erzählt.
Auch der derzeit prominenteste Whistleblower, Edward Snowden, wurde aus seinem russischen Exil per Live-Video zu einem Gespräch mit den Kuratoren zugeschaltet. Charismatisch schilderte er seine Sicht auf die Entwicklungen zu den aktuellen Abhörskandalen. Er lobte ausdrücklich die Strafmilderung von Chelsea Manning durch Barack Obama. Zudem erinnerte er daran, wie wichtig es sei, persönliche Rechte zu verteidigen. Dabei müsse man auch bereit zu Opfern sein, so Snowden. Im Zusammenhang mit den amerikanischen Whistleblowern wurde mehrfach während des Symposiums bemängelt, dass es im deutschen Raum aktuell keine derartigen Offenlegungen der geheimdienstlichen Praktiken durch Mitarbeiter eines Nachrichtendienstes gäbe.
Endgültig konnte das Symposium nicht klären, wohin sich die Entwicklungen zur Überwachung und Datensicherheit bewegen. Eine solche Hoffnung hatten die Veranstalter jedoch angesichts der Vielschichtigkeit und der Dynamik des Themas gleich zu Beginn gedämpft. Das Programm eröffnete aber viele neue Perspektiven in diesen undurchsichtigen Bereich. Die Organisatoren tragen sich nach eigener Aussage mit dem Gedanken, in absehbarer Zeit eine ein Spiegelveranstaltung zu dem Münchener Symposium in Berlin auszutragen. Auf weitere aktuelle Einsichten darf dann gehofft werden.
Autor: Robert Rückel
Veröffentlicht am: 27.01.2017