In regelmäßigen Abständen revolutioniert neue Technologie den Spielwarenmarkt. Ebenso regelmäßig werden Diskussionen um die Sinnhaftigkeit der neuen Spielzeuge geführt. Vor fast genau 20 Jahren bevölkerten Computer-Haustiere namens „Tamagotchi“ den deutschen Markt, die täglich gefüttert, gestreichelt und versorgt werden mussten. Sie sorgten bei Kindern für Faszination, bei Erwachsenen dagegen vielfach für Ablehnung. Psychologen warnten vor Schlafmangel, Lehrer beklagten Störungen im Unterricht. Doch der Hype verebbte so schnell, wie er gekommen war.
Nun stehen wir vor einer neuen technischen Innovation im Spielwarenmarkt. Die digitalisierte und vernetzte Welt erstreckt sich zunehmend auch auf die Jüngsten in unserer Gesellschaft. Aktuellstes Beispiel: Die Puppe „My Friend Cayla“. Diese ist schon seit 2014 erhältlich. Laut dem Bundesverband des Spielwaren-Einzelhandels soll sie für Kinder ab vier Jahren geeignet sein.
Große Aufmerksamkeit erhielt die Puppe aber erst, nachdem das Spielzeug im Februar 2017 von der Bundesnetzagentur als „Spionagegerät“ bezeichnet und mit einem Verkaufsverbot belegt wurde. Die Behörde geht zudem davon aus, dass Eltern die Puppe „unschädlich machen“. Wie konnte es dazu kommen?
Die Smart-Home genannte Technik, mit der wir zum Beispiel von unterwegs über das Internet unseren Ofen vorheizen oder den Füllstand des Kühlschranks überprüfen können, erleichtert vielen Menschen das Leben. Doch wir geben dabei eine Menge Daten preis, die entweder für den jeweiligen Hersteller oder auch für Dritte von Interesse sein können. Viele alltägliche Dinge, vom Heizverhalten bis zur Kühlschranknutzung, sind in Smart-Homes bis ins kleinste Detail dokumentiert und lassen sich auswerten.
Steuern lassen sich diese Verfahren mittlerweile nicht mehr nur per Touch-Geste auf dem Smartphone, sondern auch bequem per Sprache. Apples „Siri“, Amazons „Echo“ und „Cortana“ von Microsoft sind nur drei Namen von vielen ähnlichen Programmen. Sie alle reagieren auf die Spracheingabe ihres Benutzers und führen bestimmte Befehle aus. Diese Technik findet sich nun vermehrt auch im Kinderzimmer als Smart-Toys – das führt zu einigen Problemen.
Während nämlich Mikrofone, die Sprachsteuerung ermöglichen, bei Alltags-Arbeitsgeräten wie Telefonen und Computern zur technischen Grundausstattung gehören, so ist eine Puppe doch in erster Linie ein Spielzeug. Dass sich in „My Friend Cayla“ nun Technik verbirgt, die es erlaubt mit der Puppe zu kommunizieren, ist von außen nicht ersichtlich. Genau an diesem Punkt setzt die Argumentation der Bundesnetzagentur ein. Sie beruft sich auf § 90 im Telekommunikationsgesetz. Nach diesem sind Gegenstände verboten, die in der Lage sind, das „nicht öffentlich gesprochene Wort“ einer Person aufzuzeichnen und dabei als „Gegenstand des täglichen Gebrauchs verkleidet“ sind. Im Klartext: Getarnte Wanzen im privaten Umfeld sind nicht erlaubt.
Die unscheinbare Puppe „Cayla“ sei daher im Sinne dieses Gesetzes eine verbotene Abhöreinrichtung, welche die Privatsphäre der Menschen gefährde. Mit ihr lassen sich ohne Wissen der Eltern die Gespräche der Kinder aufnehmen und über die Internetverbindung versenden. Besonders problematisch: Auch Dritte haben per ungeschütztem Bluetooth-Zugang die Möglichkeit, einen Kontakt mit der Puppe herzustellen. Sowohl Mikrofon als auch Kamera lassen sich laut einem Rechtsgutachten auf diese Weise unbemerkt nutzen.
Die in Deutschland für den Vertrieb der Puppe zuständige Firma Vivid Deutschland GmbH mit Sitz in Nauheim sieht das anders. Sie hat mittlerweile erklärt, die Entscheidung der Bundesnetzagentur gerichtlich prüfen zu lassen.
Da sich das Deutsche Spionagemuseum epochenübergreifend mit sämtlichen Themenbereichen der Spionage beschäftigt, ist die „Spionagepuppe Cayla“ natürlich ein spannendes Beispiel für die heutigen Möglichkeiten der Datensammlung im privaten Bereich.
„My Friend Cayla“ wird zwar aus vielen Kinderzimmern verschwinden, aber bald als Ausstellungsobjekt im Bereich „Gegenwart“ zu sehen sein. Wir danken den Stiftern der Puppe, Familie Harmann aus Overath, die „Cayla“ auch für das Blogmagazin Stadt Land Mama getestet haben.
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 28.02.2017