Geheimdienste nutzten im Kalten Krieg modernste Fototechnik, um wichtige Dokumente auf ein möglichst geringes Maß zu verkleinern und dann unauffällig zu schmuggeln. Zu diesem Zweck entwickelten die Techniker der Stasi die sogenannten Mikratkameras. Einige dieser außergewöhnlichen Kameramodelle sind im Deutschen Spionagemuseum zu sehen. Die Uranus M wurde speziell für die Auslandsaufklärung der DDR entwickelt.
Ab 1965 konnten sich die „Kundschafter des Friedens“, wie die DDR-Agenten im Auslandseinsatz genannt wurden, über neue Spezialtechnik freuen: die Mikratkameras der Uranus-Serie. Es gab verschiedene Varianten der Uranus-Mikratkamera, unsere Modellvariante existierte ab 1973. Entwickelt hatte dieses Modell die Abteilung 8 der Hauptverwaltung Aufklärung (HV A).
Die HV A war zuständig für die Auslandspionage der DDR, man wusste dort also genau, welche Technik die Agenten bei ihrer Arbeit unterstützen könnte. Nach der Entwicklung übernahm die große Technik-Abteilung der Stasi, der Operativ-Technische Sektor (OTS), die weitere Produktion der Kamera.
Die Uranus M war von sehr kleinen Ausmaßen (2 x 2,5 x 2 cm) und nutzte ein Spezialobjektiv Flektogon 2,8 x 5 mm. Nicht nur die Kamera selbst, sondern auch die angefertigten Fotografien waren winzig: das Negativformat betrug gerade mal 1,4 x 2 mm. Dementsprechend wurden diese Aufnahmen Mikrate genannt (von griech. mikros = klein). Zum Einsatz kam ein spezieller Ringfilm. Da sich bei diesen Fotos mit bloßem Auge nicht erkennen ließ, ob die Aufnahmen geglückt waren, gehörte zur Ausstattung der Uranus M auch ein Okular zur Kontrolle der Bilder. Dieses wurde auf das Objektiv geschraubt.
Die Uranus M diente speziell der Dokumentenfotografie, die Kamera wurde nicht zu Observationszwecken eingesetzt. Das hätte sich auch kaum bewerkstelligen lassen. Der Einsatz der Mikratkamera erforderte eine detaillierte Vorbereitung. Eine Nutzung war im Grunde nur in einem abgeschlossenen, sicheren Raum durchführbar, zum Beispiel der Wohnung des Agenten.
Der Agent befestigte die Kamera mit einem Klemmstativ an einem Tisch. Der Aufnahmeabstand zum Dokument musste 75 cm betragen, sonst waren keine scharfen Bilder möglich. Die Dokumente wurden auf den Boden gelegt und mit einer Fotolampe (500 W) beleuchtet. Nur unter diesen Bedingungen gelang die Anfertigung von Mikraten mit der Uranus M.
Die winzigen Aufnahmen ließen sich leicht verstecken und schmuggeln. Verschiedene Möglichkeiten sind überliefert, es wird noch zahlreiche weitere gegeben haben: Die Mikrate ließen sich unter Briefmarken kleben oder in die Furche einer Kaffeebohne stecken und dann unter anderen Kaffeebohnen verbergen.
Ein weiterer möglicher Transportweg bestand in speziell angefertigten Containern, etwa Münzen, die im Inneren ausgehöhlt und seitlich mit einem Gewinde versehen wurden. Auf diese Weise ließen sich die Mikrate im Portemonnaie unter dem übrigen Kleingeld verstecken. Allerdings musste der Agent darauf achten, die betreffende Münze nicht aus Versehen auszugeben. Auch winzige Beweismittel führen bisweilen zu großen Strafen.