Die Verhaftung des Kanzleramtsspions Günter Guillaume am 24. April 1974

Am Morgen des 24. April 1974 bekam Günter Guillaume, persönlicher Referent von Bundeskanzler Willy Brandt, ungebetenen Besuch. Hausdurchsuchung und Festnahme wegen Spionageverdachts. Die Beamten begrüßte er mit den Worten: „Ich bin Offizier der Nationalen Volksarmee der DDR und Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit. Ich bitte, meine Offiziersehre zu respektieren“.

Entgegen aller Grundlagen der Agentenausbildung hatte sich Günter Guillaume ohne Not selbst enttarnt. Dabei hatten Verfassungsschutz und Polizei nicht mehr als einen Verdacht, am Ende sollten Guillaume vor Gericht seine eigenen unbedarften Worte zum Verhängnis werden.

Vom Flüchtling zum Vollzeit-Politiker

Guillaume war Anfang der 1950er-Jahre Journalist in Ost-Berlin, als ihn das Ministerium für Staatssicherheit als Agent anwarb. Jahrelang wurde er ausgebildet und auf einen Einsatz in der Bundesrepublik vorbereitet, wohin er 1956 als angeblicher DDR-Flüchtling ausreiste. Zunächst ließ er sich in Frankfurt am Main nieder und betrieb einen unscheinbaren Tabak- und Zeitungsladen.

Guillaume trat in die SPD ein und war erst ehrenamtlicher, seit 1964 Vollzeit-Politiker. 1969 organisierte er den Wahlkampf für Bundesminister Georg Leber in dessen Wahlbezirk in Hessen. Er bewährte sich und wurde zur Belohnung von Leber im Kanzleramt als Referent vorgeschlagen. Im selben Jahr stellte die SPD nach gewonnener Bundestagswahl erstmals den Bundeskanzler. Willy Brandt, ehemals regierender Bürgermeister von Berlin zur Zeit des Mauerbaus, leitete fortan die Staatsgeschicke.

Guillaume arbeitete unter Brandt zunächst als Referent in der Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik des Kanzleramts, also nicht im direkten Umfeld des Kanzlers. Dorthin stieg er erst nach drei Jahren auf und wurde 1972 persönlicher Referent von Brandt.

In Ost-Berlin musste die zuständige Stasi-Abteilung für Auslandsspionage HV A und deren Leiter Markus Wolf vor Überraschung fast vom Stuhl gefallen sein. So einen hochrangigen Agenten hatten sie noch nie, zudem hatte Guillaumes Legende allen Überprüfungen standgehalten.

Als persönlicher Referent hatte Guillaume nun Zugang zu geheimen Akten, den Gesprächsrunden im engen Zirkel des Kanzlers und Einblick in dessen Privatsphäre. Noch näher konnte man kaum dran sein am Machtzentrum der Bundesrepublik.

Zwei Jahre als enger Mitarbeiter des Bundeskanzlers

Zwei Jahre währte Guillaumes Stellung dort, dann wurde er verhaftet. Der Bundesnachrichtendienst hatte den Agentenfunk der DDR-Spionage abgehört und codierte Geburtstagsglückwünsche an Guillaume abgefangen. Einen stichhaltigen Beweis lieferte jedoch erst Guillaume selbst, als er sich zur DDR und als Spion bekannte.

Die Verhaftung Guillaumes weitete sich zur Staatsaffäre aus, an deren Ende Bundeskanzler Brandt zurücktreten musste. Nicht nur wegen einer möglichen Kompromittierung seiner Politik, sondern auch, weil Brandt offenbar von seinen eigenen Ministern und der eigenen Partei im Stich gelassen wurde. Innenminister Genscher kannte bereits den Verdacht gegen Guillaume, warnte den Kanzler jedoch nicht.

1972, beim Misstrauensvotum der CDU gegen Brandt hatte die HV A noch Stimmen für Brandt gekauft und ihn so im Amt gehalten. Nur zwei Jahre später brachten sie ihn durch den Kanzleramtsspion Günter Guillaume unfreiwillig zu Fall.

War Guillaume ein Top-Spion?

Als Top-Spion galt Guillaume bis zum Ende der DDR. Erst in der letzten Zeit zeigten rekonstruierte Akten und Statistiken, dass Guillaume keine Spitzeninformationen lieferte. Stattdessen musste die HV A ihren Kanzleramtsspion besonders sorgsam handhaben und hielt nur selten Kontakt, um ihn nicht in Gefahr zu bringen.

Von seinen 13 Jahren Haft, zu denen Guillaume 1975 verurteilt wurde, saß er nur sechs ab. 1981 wurde er gegen West-Agenten in der DDR ausgetauscht.


Bilder
Brandt beim Besuch des Laubenpieperfest, rechts außen Guillaume: Bundesarchiv_B_145_Bild-F040883-0015
Brandt im Gespräch mit Guillaume: Pelz [CC BY-SA 3.0, from Wikimedia Commons]

Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 24.04.2018