Rückblick: Konspirative Wohnungen der Stasi

Quellen müssen getroffen werden, Gespräche brauchen eine vertrauliche Atmosphäre – vor allem wenn es sich um geheimdienstliche Treffen handelt. Der Treff zwischen angeworbener Quelle und Führungsoffizier gehört zu den Grundlagen geheimdienstlicher Arbeit.

Im Fachjargon wird dieser Arbeitsbereich das „geheimdienstliche Verbindungswesen“ genannt. Neben Treffen gehören dazu übrigens auch zum Beispiel die Funkverbindung, Kuriere, Tote Briefkästen oder Container. Hier geht es also um das Einmaleins, das Handwerkszeug der Geheimdienste.

Geheime Treffpunkte für Agenten

Geheime Treffen zwischen Führungsoffizier und Quellen müssen an sicheren und ungestörten Orten abgehalten werden. „Safe house“ (sicheres Haus) nennen die US-Geheimdienste ihre speziell zu diesem Zweck organisierten Räumlichkeiten.

Hervorstechendes Merkmal einer solchen Wohnung ist die Tatsache, dass die Wohnung, deren Besitzer oder Mieter nach außen in keiner Verbindung zu der geheimen, „konspirativen“ Nutzung in Verbindung gebracht werden kann. Die Staatssicherheit der DDR und auch die bundesdeutschen Nachrichtendienste kannten dafür die Bezeichnung „Konspirative Wohnung“.

1978, auf dem Höhepunkt des RAF-Terrors in der Bundesrepublik, wurde dieser Ausdruck sogar zum „Wort des Jahres“ gewählt. In einer „Konspirativen Wohnung“ nämlich hatten RAF-Terroristen den entführten Arbeitgeberpräsidenten Hans-Martin Schleyer gefangen gehalten und erschossen. Auch Terrororganisationen haben also „Konspirative Wohnungen“, die sie für ihre Zwecke nutzen.

Stasi-Zeitzeugen klären auf

Dem Mysterium dieser Räumlichkeiten wurde am 13. November 2018 im Rahmen eines Zeitzeugengesprächs mit anschließender Podiumsdiskussion im Deutschen Spionagemuseum nachgegangen.

Dabei waren zwei ehemalige Offiziere der Staatssicherheit der DDR: Karl Rehbaum, Offizier in der für die NATO zuständige Abteilung XII der Auslandsaufklärung HV A und Führungsoffizier des Top-Spions Rainer Rupp, und Frank Martin, ehemaliger Offizier der Spionageabwehr der Hauptabteilung II. Moderiert wurde die Diskussion von dem Stasi-Experten Prof. Helmut Müller-Enbergs der dänischen Universität Odense.

Rehbaum und Martin plauderten dabei aus dem Nähkästchen über ihre Erfahrungen mit „Konspirativen Wohnungen“. Tausende davon hatte das Ministerium für Staatssicherheit, die allermeisten gehörten ihnen jedoch nicht regulär. Stattdessen wurden häufig die Inhaber ganz normaler Wohnungen angesprochen und überprüft. Bei einem positiven Ergebnis stellten sie, entweder gegen Entlohnung oder aus „politisch-ideologischer Überzeugung“ dem Geheimdienst ihre Wohnung für Treffs zur Verfügung.

Keine Suites – Unauffälligkeit war Trumpf

„Ganz normal“ mussten die Wohnungen sein, ein Kommen und Gehen zu bestimmten Zeiten durfte nicht weiter auffallen. Besonderer Luxus war dabei nicht möglich. Treffs in „Konspirativen Wohnungen“ wurden solchen an öffentlichen Orten stets vorgezogen, da sie sicherer und praktischer waren. Denn ausführliche Berichte über das Treffen mussten ja im Nachhinein auch noch geschrieben werden – wie hätte man das in einer Kneipe denn tun sollen, gab Karl Rehbaum zu bedenken.

Höhepunkt dieser Spurensuche war die Geschichte um eine spezielle „Konspirative Wohnung“ in Berlin. Mehrere Jahre lang war diese vom Ministerium für Staatssicherheit genutzt worden, um sich mit Mitgliedern der Gruppe „Ralf Förster“ zu treffen. Dabei handelte es sich um eine paramilitärische Organisation der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), die speziell geschult wurde, um in der Bundesrepublik Sabotage und Anschläge auszuüben.

Als das MfS im Januar 1990 zusammenbrach, wurden auch einige der belegten Wohnungen wieder frei. Just die ehemalige Wohnung der „Gruppe Ralf Förster“ wurde in diesem Zeitraum dem Hauptmann der Spionageabwehr Frank Martin angeboten. Dass seine Abteilung überhaupt Verbindungen zu dieser Gruppe hatte, will er erst nach 1990 aus den Medien erfahren haben, zuständig dafür gewesen sei allein die Abteilungsleitung.

Jahrelang hatte Martin auf einer der Wartelisten für eine neue Wohnung in Berlin gestanden, 1990 kam dann der Umzug. Und dieser blieb nicht folgenlos, denn bald stand der bundesdeutsche Verfassungsschutz vor der Tür und erkundigte sich nach der Gruppe „Ralf Förster“…


In der nächsten Veranstaltung des Deutschen Spionagemuseums am 20. November 2018 diskutieren Uli Grötsch, Konstantin von Notz, Dr. Bruno Kahl und Prof. Anna Daun zum aktuellen Thema die parlamentarische Kontrolle von Nachrichtendiensten.

Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 15.11.2018