Als der britische Geheimdienst im Jahr 1959 von der amerikanischen CIA einen Hinweis auf einen sowjetischen Agenten erhält, ahnte noch niemand, wie weit die sowjetischen Netzwerke reichten. Doch die Ermittlungen des MI5 führten nach und nach zur Aufdeckung eines sowjetischen Spionagerings, der in England agierte.
Wie so häufig wurden die Tätigkeiten des Portland-Agentenrings nicht zufällig entdeckt, sondern durch Informationen eines anderen Agenten. Seit 1958 lieferte der polnische Geheimdienst-Offizier Michael Goleniewski (Codename SNIPER) der CIA Namen von Personen, die als verdeckte Agenten in westlichen Institutionen arbeiteten. Seine Hinweise führten zur Aufdeckung zahlreicher Agenten, unter anderem dem BND-Doppelagenten Heinz Felfe.
1959 teilte SNIPER der CIA mit, dass der KGB Zugang zu geheimen Informationen aus der britischen Militär-Forschungseinrichtung Admiralty Underwater Weapons Establishment sowie der U-Boot-Ausbildungsstätte HMS Osprey hatte. Beide Einrichtungen lagen an britischen Insel Portland. Die Informationen waren brisant, denn unter anderem testete die britische Royal Navy in diesen Einrichtungen Ausrüstung für die Unterwasserkriegsführung.
Die CIA informierte den britischen Inlandsnachrichtendienst MI5, der umgehend mit der Jagd auf die Spione begann. Bei der Durchleuchtung des Personals der Einrichtungen fiel auf, dass einer der dortigen Beamten deutlich über seine Verhältnisse lebte. Harry Houghton besaß nicht nur ein Haus und insgesamt vier Autos, sondern war zudem dafür bekannt, dass er regelmäßig Runden im örtlichen Kneipen ausgab. Diese Ausgaben ließen sich nicht allein mit seinem Gehalt begleichen.
Schnell wurde dem MI5 während der anschließenden Überwachung von Houghton klar, dass auch seine Lebensgefährtin Ethel Gee verdächtig schien. Diese arbeitete als Registraturangestellte in der Militäreinrichtung. Der MI5 bemerkte, dass sich das Paar regelmäßig in London mit einem kanadischen Geschäftsmann namens Gordon Lonsdale traf. Bei diesen Treffen wurden Pakete ausgetauscht.
Nachdem die Überwachung auf Lonsdale ausgeweitet wurde, fiel das Augenmerk der Ermittler auf ein weiteres Paar, dass Lonsdale regelmäßig besuchte. Es handelte sich um den Antiquitätenhändler Peter Kroger und seine Frau Hellen. Die Kontakte zwischen den Personen erschienen so verdächtig, dass sich die Ermittler entschieden, im richtigen Augenblick zuzugreifen und die potenziellen Spione in flagranti zu ertappen.
Bei einem erneuten Treffen zwischen Houghton, Gee und Lonsdale in London am 7. Januar 1961 nahmen Polizisten die Verdächtigen fest. Bei der Durchsuchung zeigte sich, dass die Ermittler auf der richtigen Spur waren: In Gees Einkaufstasche fanden sich Filme und Fotos mit geheimen Informationen. Unter anderem bezogen sich diese auf Großbritanniens erstes Atom-U-Boot, die HMS Dreadnought. Bei der anschließenden Festnahme der Krogers wurden Mikropunkte von Dokumenten sowie Chiffrierunterlagen und ein Funkgerät sichergestellt.
Der Prozess gegen die Beteiligten begann am 9. Januar 1961 und endete für alle mit langjährigen Haftstrafen. Während des Prozesses gelang es, die Krogers als Morris und Lona Cohen zu identifizieren. Sie hatten zuvor als Spione in den USA unter anderem mit Ethel und Julius Rosenberg zusammengearbeitet. Erst nach dem Prozess wurde zudem Lonsdale als der KGB-Agent Konon Molody identifiziert. Lonsdale kam 1964, die Krogers 1969 durch Agentenaustausche frei. Houghton und Gee wurden 1970 aus der Haft entlassen, heirateten anschließend und beschrieben ihre Spionageerlebnisse in einer Biografie.
Jahre später kam ans Licht, dass der Agentenring schon viel früher hätte enttarnt werden können. Houghtons Ehefrau hatte sich bereits 1955 an die Royal Navy gewendet und den Verdacht geäußert, dass ihr Mann Informationen weitergibt. Die Admiralität informierte 1956 diesbezüglich den MI5, fügte allerdings hinzu, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Anschuldigungen nur „Ausbrüche einer eifersüchtigen und verärgerten Ehefrau“ seien.
Weitere Untersuchungen unterblieben in der Folge – eine fatale Fehleinschätzung, die dazu führte, dass der Portland-Spionagering noch ungestört jahrelang weiterarbeiten konnte.
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 09.01.2023