Die meisten Spione arbeiten im Geheimen, aber einige Spionage-Persönlichkeiten entwickeln im Urteil der Nachwelt große Berühmtheit. Es kann unterschiedlichste Gründe haben, weswegen ein Spion öffentlich bekannt wird: Einigen Spionen gelang es, jahrelang wertvolle Informationen zu sammeln und im richtigen Augenblick zu fliehen, andere wurde gefangen und nahmen an legendären Austauschaktionen teil.
Die berühmtesten Agenten sind aber oft jene, die ihre Spionagetätigkeiten mit dem Leben bezahlen mussten. Oft entwickelt sich ein regelrechter Mythos um solche Personen. Der in den USA vielleicht bekannteste Fall betrifft den jungen Soldaten Nathan Hale, dessen Schicksal fester Bestandteil jedes amerikanischen Geschichtsunterrichts ist.
Nathan Hale wurde 1755 in Coventry, Connecticut, geboren, studierte an der Yale-Universität und arbeitete anschließend als Lehrer. Mit dem Beginn des Amerikanischen Unabhängigkeitskriegs (1775-1783) schloss er sich einem amerikanischen Regiment aus Connecticut an. Während der Belagerung von Boston (1775-1776) bewährte er sich und wurde befördert.
Eine weitere Erzählung zu Hale berichtet, er sei Teil einer kleinen Einheit gewesen, der es gelang ein englisches Versorgungsschiff trotz des Schutzes eines waffenstrotzenden englischen Kriegsschiffs zu erbeuteten. Hale trat 1776 den „Knowlton’s Rangers“ bei, einer amerikanischen Eliteeinheit der Kontinentalarmee für verdeckte Spionageeinsätze. Doch während er als Soldat recht erfolgreich agierte, blieben ihm große Errungenschaften als Spion verwehrt.
Hale war kein Meisterspion, der mit seinen Informationen den Verlauf des Krieges entscheidend beeinflusst hätte. Tatsächlich wurde er bereits auf seiner ersten Spionage-Mission am 21. September 1776 festgenommen. Er hatte sich freiwillig gemeldet, um getarnt als niederländischer Schullehrer die britischen Truppen auf Long Island auszuspionieren. Rasch wurde er wegen Spionage verurteilt und am 22. September 1776 gehängt – ein damals übliches Vorgehen, da Spione als „illegale Kämpfer“ galten.
Legendär sind die angeblichen letzten Worte des 21-jährigen vor dem Vollzug des Todesurteils: „Ich bedaure, dass ich nur ein Leben habe, welches ich für mein Land verlieren kann.“ (“I regret that I have but one life to lose for my country.“) Der genaue Wortlaut ist umstritten, verschiedene Zeitzeugen-Aussagen widersprechen sich, doch die grundsätzliche Aussage seiner Worte gilt als gesichert.
Hales besondere Bedeutung speist sich aus der Tatsache, dass er der erste offiziell als Spion hingerichtete Amerikaner war. Auch wenn es von Hale kein zeitgenössisches Portrait gibt und sein Aussehen nur aus Beschreibungen von Zeitzeugen überliefert ist, finden sich in den USA an mehreren Orten Statuten, die ihn darstellen sollen.
Seit 1914 steht eine lebensgroße Statue vor der Yale-Universität, an der Hale einst seinen Abschluss machte. Eine 1973 angefertigte Kopie dieser Statue findet sich passenderweise auf dem Gelände des CIA-Hauptquartiers in Langley. Sie stellt den Moment unmittelbar vor der Hinrichtung dar und soll als „konstante Erinnerung an die Pflichten und Opfer eines Geheimdienste-Mitarbeiters“ für alle CIA-Angestellten dienen.
Zahlreiche Schulen, Straßen und Plätze tragen heute den Namen Hales. Sein angebliches Konterfei zierte Gedenk-Briefmarken, Bücher und Filme widmeten sich seinem kurzen Leben. Bereits zu Stummfilmzeiten erschien 1913 „Nathan Hale“. 1963-64 lief die Mini-Serie „The Adventures of Nathan Hale“ und 2008 entstand der Kurzfilm „Nathan Hale“.
Doch auch wenn Hale und andere Spione, die ihr Leben lassen mussten, für die Nachwelt zu Helden wurden, dürften es die meisten Agenten doch vorziehen, im Geheimen zu verweilen.
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 22.09.2020