Wilhelm Canaris: Nazi, Spion, Widerstandskämpfer

Wilhelm Canaris war eine kontroverse Persönlichkeit: Er war Anhänger des Nationalsozialismus und als Leiter des Militärgeheimdienstes Abwehr an Hitlers Feldzügen beteiligt. Gleichzeitig engagierte er sich zunehmend im Widerstand gegen Hitler und bezahlte dafür mit seinem Leben.

Dieser Artikel beleuchtet seine Karriere, die bereits im Ersten Weltkrieg startete, sowie seine Rolle als Unterstützer des Nationalsozialismus und als Geheimdienstchef sowie seine Aktivitäten im Widerstand.

Die frühe Karriere von Wilhelm Canaris

Wilhelm Canaris wurde am 1. Januar 1887 in Aplerbeck, Westfalen geboren. Schon in jungen Jahren zeichnete sich seine militärische Laufbahn ab. Im Jahr 1905 trat er im Alter von 18 Jahren in die kaiserliche Marine ein. Während des Ersten Weltkrieges erwarb er sich einen Ruf als fähiger Offizier und stieg rasch in den Rängen auf – so war er unter anderem als U-Boot-Kapitän tätig. Währenddessen spionierte er unter anderem gegen England.

Wilhelm Canaris in Kapitänsuniform in den 1920er-Jahren

Nach dem Ersten Weltkrieg begann Canaris als überzeugter Anhänger der untergegangenen Monarchie, enge Kontakte zu republikfeindlichen Kreisen zu knüpfen. Er entwickelte sich zu einem bekennenden Nationalsozialisten und Unterstützer von Adolf Hitler. 1935 übernahm er im NS-Staat die Leitung des militärischen Geheimdienstes, der Abwehr. Diesen baute er über die kommenden Jahre maßgeblich aus.

Der Zweite Weltkrieg: Geheimdienst und Widerstand

Während des Zweiten Weltkrieges spielte Wilhelm Canaris eine bedeutsame Rolle im deutschen Geheimdienst. Die Abwehr führte unter seiner Leitung zahlreiche geheime Operationen durch, die für die Kriegsführung der Wehrmacht von entscheidender Bedeutung waren.

Die Geheime Feldpolizei, bestehend unter anderem aus Gestapo-Leuten, war der Abwehr unterstellt. Zwischen der Geheimen Feldpolizei und der SS kam es zu engen Kooperationen, bei denen auch zahlreiche Kriegsverbrechen stattfanden.

Trotz seiner Unterstützung war Canaris’ Beziehung zum Nazi-Regime von inneren Konflikten geprägt. Nach einem Besuch des KZ Sachsenhausen schien er sich wohl schon seit Anfang 1937 von Adolf Hitler distanziert zu haben.

Ein entscheidender Wendepunkt in Canaris’ Einstellung gegenüber Hitler war die Blomberg-Fritsch-Krise im Jahr 1938. Dabei waren Reichskriegsminister von Blomberg und der Oberbefehlshaber des Heeres von Fritsch unter fadenscheinigen Gründen abgesetzt worden, weil sie den aggressiven Kriegsplänen von Hitler skeptisch gegenüberstanden. Canaris zeigte sich empört über die ungerechte und ehrenlose Behandlung dieser verdienten Offiziere.

Dazu kommt, dass die negativen nationalsozialistischen Anschauungen gegenüber Behinderten ebenfalls an seiner Loyalität rüttelten, da er selbst eine geistig behinderte Tochter hatte.

Canaris (vorne links) bei den Feierlichkeiten zu Hitlers 50. Geburtstag [Bundesarchiv, Bild 183-H28859 / CC-BY-SA 3.0]

Nach Kriegsbeginn äußerte er Entsetzen darüber, was für Verbrechen von der Geheimen Feldpolizei und SS beim Polenfeldzug im Jahr 1939 begangen wurden. Diese waren nach seinem Verständnis nicht mit dem Bild eines „ehrenhaften” Kriegs vereinbar, welche er aus seiner Zeit in der kaiserlichen Marine hatte. Gleichzeitig lieferte die Abwehr unter der Leitung von Canaris weiterhin wichtige Informationen, zum Beispiel bei der Vorbereitung und Durchführung des Überfalls auf die Sowjetunion im Jahr 1941, auch bekannt unter dem Decknamen „Operation Barbarossa“. Während er äußerlich Linientreue zeigte, wurde Canaris innerlich immer mehr klar, dass Hitlers Ziele und Methoden mit seinen eigenen Werten und Vorstellungen nicht mehr in Einklang zu bringen waren. Daraufhin begann er, sich von Hitler und seinen Kriegsplänen zu distanzieren.

Canaris Opposition gegen Hitler

Trotz seiner Ablehnung gegenüber Hitlers Regime ist es schwierig, den genauen Grad der Beteiligung von Canaris am Widerstand zu bestimmen. Nach außen stellte er sich als Unterstützer des Regimes dar. Er agierte als Widerständler und als Mittäter – in welchem Umfang genau beschäftigt Historiker bis heute. Seine Opposition äußerte sich in verschiedenen Formen, gleichzeitig deckte er diese Aktivitäten lange mit seinen Erfolgen in der Abwehr. Canaris war keineswegs der einzige Offizier, der gegen Hitler opponierte. Bereits vor Kriegsbeginn war er Teil einer Gruppe konservativer Kriegsverhinderer, die erfolglos versuchten, Hitler von seinen Plänen abzubringen. Ihre Argumente zielten dabei nicht gegen einen Krieg im Generellen, sie hielten aber den Zeitpunkt für deutlich verfrüht und die Wehrmacht nicht bereit für die umfassenden Kriegspläne.

Canaris 1941 an der Ostfront [Bundesarchiv, Bild 146-1976-138-02A / CC-BY-SA 3.0]

Die Blomberg-Fritsch-Krise war unter anderem dafür verantwortlich, dass sich Canaris den Widerstandskreisen gegen Hitler zuwandte. Unter anderem deckte er nach dem Überfall auf Polen Mitarbeiter der Abwehr, die sich aktiver am Widerstand beteiligten. Auch begann er, persönlichen Bekannten – getarnt als Agenten der Abwehr – zur Flucht aus Deutschland zu verhelfen. Persönlich protestierte Canaris selbst nur einmal wegen der Verbrechen während des Polenfeldzuges. Abgesehen davon unternahm er nichts aktiv gegen die ihm unterstellte Geheime Feldpolizei. Durch seine Tätigkeit als Abwehr-Chef und seine Kontakte ins Ausland begann er inoffizielle Verhandlungen mit den Alliierten über einen Separatfrieden oder eine Teilkapitulation der Wehrmacht. Dabei lieferte er ihnen militärische Informationen wie Schlachtpläne und strategische Details, vermutlich um ihr Vertrauen in den deutschen Widerstand zu stärken. Die Verhandlungen verliefen jedoch erfolglos.

Verhaftung und Tod

Die Aktivitäten von Wilhelm Canaris im Widerstand blieben nicht unbemerkt. Es gab Klagen über die angeblich schlechte Arbeit der Abwehr und gescheiterte Operationen. Schlussendlich war das Überlaufen eines Abwehragenten zu den Briten ein Grund dafür, dass Canaris im Februar 1944 seines Amtes als Abwehrchef enthoben wurde. Die Abwehr wurde in Folge mit dem Sicherheitsdienst SD zusammengeführt und Heinrich Himmler übernahm deren Führung. Am 20. Juli 1944 kam es zum gescheiterten Bombenattentat auf Hitler im Führerhauptquartier. Georg Hansen, ein Mitarbeiter der Abwehr, gestand danach, dass er und Wilhelm Canaris gemeinsam auf einen Sturz Hitlers hingearbeitet hätten: Canaris bezeichnete er als „geistigen Treiber der Umsturzbewegung”. Am 23. Juli 1944 wurde Canaris verhaftet und mit weiteren verdächtigen Offizieren festgehalten. Während der anschließenden Ermittlungen wurde ein Geheimarchiv des Widerstandes entdeckt. Dort fand man auch Durchschläge aus dem Tagebuch von Wilhelm Canaris, wodurch man seine Verbindung zum Widerstand nachweisen konnte. Am 5. Februar 1945 verlegte man Wilhelm Canaris zusammen mit anderen Häftlingen ins Konzentrationslager Flossenbürg.

Die letzte Station im Leben des Wilhelm Canaris: KZ Flossenbürg, 1945

Das Tagebuch selbst wurde schließlich im April 1945 gefunden und Hitler persönlich vorgelegt. Dieser gab den Befehl, dass die Verschwörer sofort vernichtet werden sollen. Vor einem SS-Standgericht bestritt Canaris alle Vorwürfe. Sein ehemaliger Stabschef, Hans Oster, bestätigte jedoch die Anschuldigungen. Auf die Frage, ob dieser lüge, verneinte Canaris. Neben Canaris waren Dietrich Bonhoeffer, Ludwig Gehre, Hans Oster und Karl Sack angeklagt. Allesamt wurden schlussendlich zum Tode verurteilt und am 9. April 1945 erfolgte die Hinrichtung von Canaris durch Hängen.

Fazit: Widerständler und Mittäter

Die Biografie von Wilhelm Canaris zeigt die Widersprüche in seinem Handeln auf. Anfangs noch war er überzeugter Nationalsozialist und diente aktiv dem Nazi-Regime. Angesichts der Grausamkeiten und Verbrechen änderte er seine Haltung und begann heimlich im Widerstand aktiv zu werden. Sein Engagement auf beiden Seiten war geprägt von Komplexität und Ambivalenz – sein Schicksal endete mit der Hinrichtung durch diejenigen, die er einst unterstützte. Diese Widersprüchlichkeit führt bis heute dazu, dass er deutlich kritischer gesehen wird als andere Widerständler.

Ja, Wilhelm Canaris war ein Spion. Er diente als Chef der Abwehr, dem militärischen Geheimdienst im nationalsozialistischen Deutschland und war verantwortlich für geheime Operationen und Spionageaktivitäten.

Wilhelm Canaris war anfangs ein Anhänger der Nazis und unterstützte das Regime. Später distanzierte er sich jedoch innerlich von Hitler und den nationalsozialistischen Ideologien und war im Widerstand gegen das Nazi-Regime tätig. Entscheidende Wendepunkte hier waren die Blomberg-Fritsch-Krise im Jahr 1938 und der Polenfeldzug im Jahr 1939.

Da sein Handeln jedoch von Widersprüchlichkeiten geprägt war, diskutieren Historiker bis heute, wie seine Rolle zu werten ist. Klar ist, dass er zugleich Mittäter und Widerständler war.

Im Zweiten Weltkrieg leitete Wilhelm Canaris die Abwehr und führte geheime Operationen durch, die für die Wehrmacht von entscheidender Bedeutung waren. Er unterstützte Adolf Hitler mit geheimdienstlichen Informationen.

Später begann er, sich von Hitler zu distanzieren und war inoffiziell in Verhandlungen mit den Alliierten über einen möglichen Separatfrieden oder eine Teilkapitulation der Wehrmacht involviert, welche allerdings erfolglos waren.

Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 09.04.2022