Im Zuge der Enthüllungen von US-Whistleblower Edward Snowden zeigten Dokumente amerikanischer Geheimdienste, dass Gerhard Schröder während seiner Kanzlerschaft (1998-2005) unter Beobachtung der NSA stand. Demnach war Schröder seit 2002 mit der Nummer 388 auf einer National Sigint Requirement List erfasst, auf der US-Geheimdienste ihre Überwachungsziele auflisteten.
Welche Informationen letztlich tatsächlich vom deutschen Kanzler ausspioniert wurden, ist unklar. Interessant wäre vor allem, ob es der NSA gelungen ist, eine technische Innovation zu knacken, die Schröder nutzte: das Kryptohandy TopSec GSM. Das erste Kryptohandy eines deutschen Kanzlers ist nun Teil der Ausstellung im Deutschen Spionagemuseum.
Entwickelt wurde das für damalige Verhältnisse technisch komplexe Innenleben von der Firma Rohde & Schwarz. Die in München ansässige Firma gehört seit Jahrzehnten zu den führenden deutschen Unternehmen in Sachen IT-Security. Am 1. Mai 2001 hatte Rohde & Schwarz das Geschäftssegment Hardware-Verschlüsselung des Siemens-Bereiches Information and Communication Mobile übernommen. Im selben Jahr erschien mit dem TopSec GSM das weltweit erste Kryptohandy auf dem Markt, dass in Serienproduktion ging.
Das TopSec GSM war eine Weiterentwicklung des Siemens S35i. Es sah aus wie ein gewöhnliches Handy und ließ sich auch als solches nutzen. Lediglich ein kleiner Sticker auf der Rückseite zeigte an, dass es sich nicht um ein normales Handy handelte. Das eingebaute Verschlüsselungsmodul hatte die Größe einer Briefmarke. Um die Verschlüsselung zu aktivieren, drückte der Nutzer vor der Wähltaste einen speziellen Softkey.
Die Verschlüsselungstechnik basierte auf einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Dabei simulierte das TopSec GSM eine Sprachübertragung, statt eines Sprachkanals kommt aber ein GSM-üblicher Datenkanal zur Anwendung. Durch diesen ließen sich verschlüsselten Inhalte zwischen zwei kompatiblen Geräten übertragen. Die kommunizierenden Krypto-Handys tauschten bei jedem Verbindungsaufbau einen 128-Bit-Schlüssel aus, der aus 1038 zur Verfügung stehenden Schlüsseln per Zufallsverfahren ausgewählt wurde.
Voraussetzung für eine abhörsichere Kommunikation war also, dass der Gesprächspartner ebenfalls ein Kryptohandy oder alternativ ein ISDN-Telefon mit zwischengeschaltetem Verschlüsselung-Modul nutzte. Aus diesem Grund wurden die Handys regelmäßig im Doppelpack verkauft.
Offiziell ließ sich das Kryptohandy über die Verkaufskanäle von Rhode & Schwartz frei beziehen, kostete aber fast 5.000 DM. Es war allerdings weniger für Privatleute ausgelegt, sondern vor allem für Behörden als auch für Wirtschaftsunternehmen, die sich so gegen Wirtschaftsspionage schützen sollten. In den Jahren 2004 und 2005 nutzte es Bundeskanzler Gerhard Schröder als abhörsicheres Diensthandy.
Der erste Nutzer des Kryptohandys war – noch vor Kanzler Schröder – der damalige Innenminister Otto Schily (SPD). Er bekam bereits einen Prototyp des TopSec GSM geschenkt, dürfte sich aber über die Werbung des Herstellers wenig gefreut haben: Diese pries das Krypto-Handy damit an, dass selbst Geheimdienste die Gespräche nicht abhören können – das betraf also auch die Arbeit von Schilys Agenten.