Die Geschichte der Geheimtinte reicht weit zurück. Sie gehört zum Fachbereich der „Steganographie“ (gr. „bedecktes Schreiben“). Im Gegensatz zur Kryptografie wird dabei die Nachricht nicht verändert, sondern lediglich versteckt. Die ersten Berichte über den Einsatz von Geheimtinten stammen von antiken griechischen und römischen Autoren.
Während Geheimtinten lange vor allem auf Pflanzensäften basierten, die zum Beispiel durch Überhitzung sichtbar gemacht wurden, kamen ab Renaissance und Früher Neuzeit mehr und mehr chemische Verfahren auf. Diese Geheimtinten ließen sich nicht durch einfaches Erwärmen sichtbar machen (der Trick war mittlerweile recht bekannt), sondern durch Hinzufügen einer speziellen chemischen Substanz.
Im 20. Jahrhundert entwickelte man ein neues Verfahren, dass auch im Kalten Krieg eingesetzt wurde: Statt dem „nassen Verfahren“ mit Geheimtinte wurde nun ein „trockenes Verfahren“ angewendet. Genau dazu diente ein Objekt, das im Deutschen Spionagemuseum ausgestellt wird: ein Seidenschal für Geheimschriften.
Das „nasse Verfahren“ war im Prinzip die klassische Version von Geheimschrift: Ein Agent brachte mit einem Schreibwerkzeug die Spezialtinte auf ein Dokument auf und ließ diese trocknen. Das „trockenen Verfahren“ lief anders ab: Stoffe wie der besagte Seidenschal oder Papierstücke wurden mit einer chemischen Substanz getränkt. Nach dem Trocknen konnte der Agent den Schal unauffällig mit sich führen.
Um eine Geheimnachricht zu schreiben, legte er das Dokument, auf das er die Nachricht aufbringen wollte, auf einen Tisch. Er bedeckte dieses mit dem Schal. Um den Stoff nicht zu beschädigen, legte er dann ein Stück Papier über den Schal (Sandwich-Methode). Anschließend pauste er die Nachricht auf das untere Papier durch. Im Prinzip dient der Schal also als eine Art Durchschlagpapier.
Das Dokument mit der Geheimtinte durfte allerdings nicht als leeres Blatt versendet werden – dies hätte schnell für Argwohn gesorgt. Man nutzte daher Blätter, die unverfänglichen Inhalt in gedruckter oder handschriftlicher Form enthielten. Der Empfänger konnte die unsichtbare Nachricht mit der richtigen Chemikalie wieder sichtbar machen.
Der Vorteil dieser Methode: Der Agent musste keine verräterische Geheimtinte oder Substanzen zur Herstellung derselben mit sich führen. Zudem wurde bei dem Vorgang weniger Tinte auf das Geheimdokument aufgebracht als bei der „nassen Methode“ mit klassischer Geheimtinte. Die Tinte ließ sich also durch feindliche Geheimdienste schwerer nachweisen. Der Seidenschal im Deutschen Spionagemuseum ist eine Leihgabe des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). Man entdeckte ihn bei einem Agenten der Stasi, als dieser enttarnt wurde.
Solche und ähnliche „trockene Verfahren“ wurden von allen Geheimdiensten eingesetzt. Welche Substanz bei dem Seidenschal konkret zum Einsatz kam, ist nicht bekannt, hier gab es eine Vielzahl an Möglichkeiten. Eine überlieferte Anwendung der Stasi bestand aus Papier, das mit Ceroxalat getränkt war. Diese Substanz wurde mit einer Mischung aus Wasserstoffperoxid und Mangansulfat wieder lesbar gemacht.
Wer denkt, das Zeitalter der Geheimschriften wäre mit der digitalen Revolution beendet und die Technik heute obsolet, liegt falsch. Geheimtinten kommen beispielsweise als UV-Markierungsmittel oft im zivilen Bereich zum Einsatz – etwa an Gegenständen, um diese im Falle eines Diebstahls identifizieren zu können.
Sogar noch heute werden neuartige Geheimtinten erforscht: Ende 2017 verkündeten chinesische Forscher, sie hätten eine Geheimtinte entwickelt, die aus sogenannten Metall-organischen Gerüsten (MOFs) auf Blei-Basis besteht. Diese lässt sich nicht mit herkömmlichen Methoden wie Wärme oder UV-Licht sichtbar machen. Erst bei Kontakt mit Halogenid-Salzen und wenn diese mit UV-Licht bestrahlt werden erscheint die Geheimschrift. Der besondere Clou: Durch die Zugabe von Methanol verschwindet sie wieder. Man kann diese Tinte also beliebig oft sichtbar und wieder unsichtbar machen. Die Forscher sind der Meinung, dass diese neue Geheimtinte durchaus auch heute noch für Geheimdienste interessant sein könnte.