Geheimdienste müssen ständig die Möglichkeit haben, auf verdecktem Wege mit den eigenen Agenten zu kommunizieren. Stark abgeriegelte Grenzsysteme, wie sie im Kalten Krieg existierten, schränken die Möglichkeiten eines geheimen Informationsaustausches ein. Vielen Agenten nutzten spezielle Funkgeräte, die hinter den feindlichen Linien abgeworfen wurden.
Allerdings bargen der Besitz und der Betrieb eines Funkgeräts immer die Gefahr der Enttarnung. Damit Agenten weltweit Nachrichten erhalten konnten, ohne dazu ein spezielles Gerät verstecken zu müssen, sendeten Geheimdienste verschlüsselte Informationen über Zahlensender. Zur Ansage der langen kryptischen Zahlenkolonnen setzte die Stasi ab den 1980er-Jahren Sprach-Morse-Generatoren ein. Ein solcher Sprach-Morse-Generator ist Bestandteil der Sammlung des Deutschen Spionagemuseums.
Zahlensender sind Kurzwellenstationen, durch die verschlüsselte Nachrichten im Zahlencode versendet werden. Mit handelsüblichen Kurzwellen-Radios, sogenannten Weltempfängern, konnten Agenten weltweit diese Nachrichten abhören und mitschreiben. In der Regel sendeten Zahlensender nach einem festgelegten Zeitplan, die Agenten wussten also, dass sie an bestimmten Zeiten der Woche einzuschalten hatten.
Den richtigen Zahlensender erkannten die Agenten an bestimmten Tonfolgen oder Melodien, die vor der Durchsage abgespielt wurden. Da die Sendungen offen für jeden mitzuhören waren, spielte eine sichere Chiffrierung der Nachrichten eine wichtige Rolle. Oft kam dabei das One-Time-Pad-Verfahren (OTP) zum Einsatz, dass es den Agenten ermöglichte, die Nachrichte ohne spezielle Geräte handschriftlich zu entschlüsseln.
In den 1980er-Jahren wurden die Nachrichten für die Stasi-Agenten im Ausland von Sprach-Morse-Generatoren abgespielt. Es handelt sich um einen digitalen Sprachgenerator, über den Telegramme in Form von menschlicher Sprache oder als Morse-Signale ausgegeben werden. Entwickelt wurde die Technik unter dem Namen „Gerät 32620“ für das Ministerium für Staatssicherheit.
Das Ziel war es, Technik aus dem nicht-sozialistischen Wirtschaftsgebiet abzulösen und den „operativen Dienstgebrauch“, also die geheimdienstliche Arbeit, zu erleichtern. Ab 1983 liefen die ersten Testversuche, ab 1984 folgte die Serienproduktion. Neben der Stasi setzten auch andere Nachrichtendienste der „sowjetischen Bruderländer“, vor allem die Sowjetunion selbst, die Sprach-Morse-Generatoren ein.
Das Gerät ist mit Maßen von 26 x 29 x 13,5 cm (BxTxH) und einem Gewicht von 7,1 kg kompakt konstruiert. Die abzuspielende Information wird über einen 5-kanaligen Lochstreifenleser oder direkt über die Tastatur erfasst und in CMOS-Schreib-Lese-Speichern im ASCII-Format abgespeichert. Als Steuerelement kam ein in der DDR gefertigten Mikroprozessor U 880 zum Einsatz.
Die maximal mögliche Telegrammlänge lag bei 3791 Stellen, inklusive der Leerstellen. Damit die Agenten die Zahlenkolonen fehlerfrei mitschreiben konnten – denn nur dann war eine Dechiffrierung möglich – wurden die Zahlen in 5er-Gruppen geordnet durchgesagt, jede 5er-Gruppe wurde nach der Durchsage zur Kontrolle wiederholt.
Vor den 1980er-Jahren sprach eine Sprecherin die Nachrichten vorab ein und die Aufnahmen wurden dann gesendet. In späteren Jahren wurden nur Fragmente aufgezeichnet und diese dann mit „Sprechmaschinen“ per Knopfdruck in der richtigen Reihenfolge abgespielt. Anfang der 1980er-Jahre erfolgte die Umstellung auf Sprach-Morse-Generatoren. Zum Einsatz kamen diese auch beim Zahlensender G08, der vom Auslandsgeheimdienst der Stasi, der Hauptverwaltung Aufklärung (HV A), betrieben wurde.
Die Sprecherin, welche die einzelnen Zahlen und Signalwörter (Achtung, Trennung, Ende) eingesprochen hatte, wurde von westlichen Geheimdiensten mit dem Spitznamen „Magdeburg Annie“ versehen, da man als Quelle fälschlicherweise einen Sender namens Radio Magdeburg annahm. Die Stimme kam auch bei mehreren anderen Zahlensendern zum Einsatz. In der folgenden Audio-Datei ist ein Beispiel einer originalen G08-Sendung aus dem Jahr 1987 zu hören.
Unter den bis zu 200 HV A-Agenten, die über G08 mit Nachrichten versorgt wurden, befand sich auch NATO-Spion Rainer Rupp alias TOPAS . Mit der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit im Frühjahr 1990 stellte G08 seinen Betrieb ein.