Mehrmals kam es auf der Glienicker Brücke zwischen Potsdam und Berlin zum Agentenaustausch – seitdem ist sie ein Wahrzeichen für die Spionage im Kalten Krieg. Mehr zur Glienicker Brücke, den auf ihr stattgefundenen Agentenaustauschen und einigen der daran beteiligten Akteure gibt es hier.
Auf der Glienicker Brücke fand zwischen 1962 und 1986 dreimal ein Agentenaustausch zwischen Ost und West statt. Diese Aktionen haben sie bis heute als „Agentenbrücke“ im kollektiven Gedächtnis verankert. Ihr Mythos nahm bereits einige Monate nach dem Beginn des Mauerbaus erste (und streng geheime) Formen an.
In Ost und West war man im Vorfeld des ersten Agentenaustauschs auf der Glienicker Brücke natürlich extrem nervös – schließlich konnte niemand sagen, ob er überhaupt klappen würde. Alles war streng geheim und nur wenige waren eingeweiht, Fotos waren verboten.
Dass es in erster Linie überhaupt zu einem Agentenaustausch kam, ist vor allem der Weitsichtigkeit des amerikanischen Anwalts James Donovan zu verdanken, welcher den KGB-Agenten Rudolf Iwanowitsch Abel vertrat. Denn als Unterhändler zwischen den Machtblöcken hatte man sich für die USA auf ihn und für den Osten auf den Rechtsanwalt Wolfgang Vogel geeinigt. Dank bester Verbindungen zum SED-Regime und seiner zeitweisen Mitarbeit beim Ministerium für Staatssicherheit (als IM „Eva“ bzw. „Georg“) war der Ost-Berliner Anwalt für die DDR-Oberen eine gute Wahl.
Diplomatenpass von Wolfgang Vogel
[Sammlung Deutsches Spionagemuseum]
Der 1957 festgenommene KGB-Agent Abel (mit bürgerlichem Name William Fischer) war Teil eines wichtigen sowjetischen Spionagerings, spezialisiert auf Atomspionage, und somit ein bedeutender Fang für die US-Spionageabwehr. Abel selbst hatte nie gestanden, für das KGB zu arbeiten, doch die in seiner Wohnung gefundene Geheimdienstausrüstung überführte ihn eindeutig. Für dieses Vergehen wäre eine Todesstrafe möglich gewesen. Donovan gelang es vor Gericht, statt einer Todesstrafe eine 30-jährige Haftstrafe durchzusetzen. Er begründete es damit, dass Abel ein wertvoller Kandidat für einen Austausch wäre, sollte ein amerikanischer Spion von der Sowjetunion inhaftiert werden.
Rudolf Abel nach seiner Festnahme 1957 [FBI]
Der gefangene US-Pilot Gary Powers 1960 [RIA Novosti archive, image #35174 / Chernov / CC-BY-SA 3.0]
Tatsächlich trat dieser Fall bereits zwei Jahre später ein, als 1960 der CIA-Pilot Francis Gary Powers mit seinem Spionageflugzeug Lockheed U-2 über sowjetischem Gebiet abgeschossen wurde. Er überlebte und wurde mitsamt Ausrüstung und den Trümmern seines Flugzeuges von der Sowjetunion der Presse zur Schau gestellt – eine Demütigung für die USA. Für seinen Spionageeinsatz wurde er zu zehn Jahren Haft verurteilt.
Obwohl CIA und FBI einem Austausch zunächst widersprachen, nahmen die Verhandlungen unter Druck des US-Präsidenten John F. Kennedy Fahrt auf. Allerdings zogen sie sich in die Länge, da die USA unbedingt mehrere Personen für den aus ihrer Sicht „wertvolleren” Agenten Abel austauschen wollte. Man einigte sich schließlich darauf, neben Powers auch den Amerikaner Frederic Pryor freizulassen, der 1961 wegen angeblicher Fluchthilfe und Spionageverdacht verhaftet worden war.
James Donovan mit Präsident John F. Kennedy, September 1962
Da es keine Erfahrung mit Agentenaustauschen zwischen den USA und der Sowjetunion gab, waren die Unsicherheit und die Skepsis beiden Seiten groß. Die ganze Aktion wurde daher unter größtmöglicher Geheimhaltung durchgeführt. Austauschort sollte die Glienicker Brücke werden. Seit dem Mauerbau 1961 war sie für den Straßenverkehr geschlossen und lag gut erreichbar für beide Parteien zwischen Potsdam und Berlin.
Nur rund ein halbes Jahr nach dem Mauerbau war es dann so weit: Auf der Glienicker Brücke fand der erste Agentenaustausch über der Havel statt. Beidseitig herrschte großes Misstrauen. Daher waren Personen anwesend, welche die Spione identifizieren sollten. So wollte man sichergehen, dass beide Parteien tatsächlich den richtigen Agenten bekamen. Abel wurde durch einen alten russischen Kameraden identifiziert und Powers durch einen ehemaligen Schulkameraden.
Außerdem wurde – wie vereinbart vor dem eigentlichen Austausch – Pryor in Anwesenheit von Anwalt Vogel am Checkpoint Charlie freigelassen. Erst nachdem die Nachricht über die Freilassung Pryors die Unterhändler auf der Glienicker Brücke erreichte, vollzog man dort den Austausch. Um 8:52 Uhr passierten Abel und Powers grußlos gleichzeitig die weiße Grenzlinie auf der Mitte der Brücke.
Von diesem Ereignis erfuhr die Öffentlichkeit dann erst, als Powers schon im Flugzeug in die USA saß und Abel sich auf dem Weg in die Sowjetunion befand.
Diesem ersten erfolgreichen Austausch folgten zahlreiche weitere im Kalten Krieg. Allein in Deutschland kamen auf diesem Wege um die 150 Agenten frei. Bis jedoch erneut Agenten auf der Glienicker Brücke ausgetauscht wurden, sollte es über 20 Jahre dauern.
Der nächste Agentenaustausch auf der Glienicker Brücke wurde am 11. Juni 1985 durchgeführt. Es war sowohl der größte Agentenaustausch auf der Glienicker Brücke, als auch der größte überhaupt während des Kalten Kriegs. Außerdem befanden sich zwei Kamerateams an der Brücke, deren Bilder um die Welt gingen.
Bei diesem Austausch ging es um 25 West-Agenten und vier im Westen inhaftierte Ost-Spione. Gegen Mittag fuhr aus Potsdam ein Reisebus mit den West-Agenten vor, aus der anderen Richtung kamen Chevrolets mit den Ost-Agenten. Schon eine Stunde später war alles vorbei: Die Glienicker Brücke war zum erfolgreichen Schauplatz des Agentenaustauschs Nummer zwei geworden.
Ein vier Meter langes, detailgetreues Diorama der Glienicker Brücke mit der Darstellung des Agentenaustauschs vom 11. Juni 1985 ist übrigens Bestandteil der Dauerausstellung des Deutschen Spionagemuseums. Wer genau hinguckt, kann sogar den legendären goldenen Mercedes von Wolfgang Vogel entdecken.
Erst geheim, dann weltbekannt – entgegen dem ersten Agentenaustausch, der unter strengster Geheimhaltung ablief, wurde der zweite und dritte Austausch von einem internationalen Medienspektakel begleitet. Besonders war, dass die sowjetische Seite dieses Mal Kompromissbereitschaft signalisierte, wodurch dieser Austausch bis heute als Zeichen der politischen Entspannung zwischen Ost und West gilt.
Am 11. Februar 1986 erfolgte auf der Glienicker Brücke der dritte Agentenaustausch.
An diesem Tag wurden vier Häftlinge aus dem Osten, die wegen Spionagevorwürfen inhaftiert waren, gegen fünf aus dem Westen ausgetauscht. Dazu zählte unter anderem auch das Ehepaar Kocher, das als eingeschleuste KGB-Agenten in den USA gelebt und die CIA ausspioniert hatten. Wie auch bei den vorangegangenen Geschehnissen auf der Glienicker Brücke spielte der Berliner Rechtsanwalt Wolfgang Vogel als Vermittler zwischen Ost und West eine signifikante Rolle.
Einer der Gefangenen hatte im Vorfeld der Überstellung für besonderen Wirbel zwischen den Machtblöcken gesorgt: der sowjetische Bürgerrechtler Anatoli Schtschranski. Er hatte sich in den 1970er und 1980er-Jahren für Meinungsfreiheit sowie religiöse und kulturelle Rechte in der Sowjetunion eingesetzt. Die Strafe folgte auf dem Fuße: Aufgrund seines Engagements wurde er 1978 wegen des Vorwurfs des Hochverrats und der Spionage verurteilt.
In den USA galt Anatoli Schtscharanski jedoch als Freiheitskämpfer und nicht als Agent. Im Vorfeld der Überstellung am 11. Februar 1986 gab es Streit um die Statusfeststellung von Schtscharanski. Doch schließlich gab die Sowjetunion der Position der USA nach. Und so wurde Schtscharanski auf der Glienicker Brücke beim dritten Agentenaustausch allein vor den auszutauschenden Agenten in den Westen gebracht, um symbolisch deutlich zu machen, dass er nicht als Agent galt.
Der israelische Ministerpräsident begrüßt den freigelassenen Schtscharanski bei dessen Ankunft in Israel
[Government Press Office (Israel) / CC BY-SA 3.0]
Im Wissen, dass die westliche Presse anwesend sein würde, hatten sich KGB-Mitarbeiter vorgenommen, Schtscharanski zu verunglimpfen. Sie gaben ihm eine Hose, die zu groß war und keinen Gürtel hatte. Auf dem Weg in den Westen musste er sie festhalten, damit sie nicht herunterrutschte.
Nach dem Agentenaustausch emigrierte Anatoli Schtscharanski nach Israel. Er änderte seinen Namen in Natan Scharanski und übte verschiedene Ministerämter in den 1990er- und 2000er-Jahren aus. Bis heute ist Scharanski eine wichtige Figur im Kampf für Menschenrechte und Demokratie.
Trotz der Demütigung war dieser Austausch ein weiterer Schritt zur Entspannung zwischen Ost und West. Nur wenige Jahre später löste sich die UdSSR auf und der Kalte Krieg ging zu Ende.
Einen Tag nach dem Mauerfall wurde die Glienicker Brücke wieder geöffnet – ein Agentenaustausch hat auf ihr nicht mehr stattgefunden. Die imposante Stahlbrücke ist heute eine viel befahrene Verbindung zwischen Potsdam und Berlin. An ihre Vergangenheit als Agentenbrücke erinnern mehrere Gedenktafeln und ein Metallstreifen in ihrer Mitte. Dieser ersetzt die frühere weiße Linie und symbolisiert die ehemalige Grenze zwischen der DDR und der BRD.
Glienicker Brücke: Gut ist hier der unterschiedliche Farbsanstrich zu erkennen, der die Grenze zwischen Berlin und Brandeburg (und vormals der DDR) markiert [Sabine Kroschel / pixabay]
Heute ist die Glienicker Brücke, welche in der Spionagegeschichte einen besonderen Platz einnimmt, wieder frei zugänglich. Zurecht trägt sie den Titel Agentenbrücke. Neben der Berliner Mauer und dem Checkpoint Charlie ist sie ein wichtiges Symbol für den Kalten Krieg im geteilten Berlin. Neben dem bereits erwähnten Diorama der Glienicker Brücke kann der Besucher im Deutschen Spionagemuseum dieses spannende Kapitel der Spionagegeschichte mit einer interaktiven Berlin-Karte, originalem Bild- und Videomaterial sowie Interviews mit Historikern und Zeitzeugen nacherleben.
Außerdem wissenswert: Den Ereignissen des ersten Agentenaustauschs 1962 setzte der US-Star-Regisseur Steven Spielberg 2015 mit seinem Hollywood-Blockbuster „Bridge of Spies” ein filmisches Denkmal. In der Hauptrolle verköperte Tom Hanks den US-Anwalt James B. Donovan. Für seine Darstellung des Rudolf Abel erhielt Mark Rylance den Oscar als bester Nebendarsteller. Gedreht wurde unter anderem am Originalschauplatz auf der Glienicker Brücke.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs entwickelte sich Berlin im Kalten Krieg zur unumstrittenen Hauptstadt der Spione. Nirgendwo trafen die damaligen Großmächte so unmittelbar aufeinander.
Sammeln, Bewahren, Forschen, Ausstellen und Vermitteln sind die Aufgaben eines jeden Museums. Keine dieser Aufgaben ist ohne die Sammlung durchführbar, sie bildet die Grundlage für jede Museumsarbeit.